Neue
Gestaltung
des
symbolischen.
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Tradition ehrwürdigen thierischen Symbole, die Taube, die
Zeichen der Evangelisten, der Pelikan, der Drachen unter
den Füssen der Jungfrau und ähnliche werden beibehalten;
ausserdem wird die thierische Gestalt wohl zuweilen in
einer, dem Symbolischen verwandten Weise bald als
leichter, phantastischer Schmuck, bald in humoristischer
oder satyrischer Bedeutung gebraucht, meistens aber dient
sie vermöge einer natürlichen und rein künstlerischen Sym-
bolik zur Belebung gewisser Stellen des architektonischen
Gerüstes und gewissermaassen zur Erläuterung ihrer Func-
tion. Dahin gehört es, wenn die Regenrinnen, welche, um
das Gebäude gegen Beschädigung zu sichern, weit hinaus-
Fagen müssen, die Gestalt von ungeheuerlichen speienden
Thieren annehmen, dahin ferner, wenn an der Kathedrale
zu Laon aus den obersten Arcaden der Thürme kolossale
vierfissige Thiere die langen Hälse vorstrecken, gleichsam
neugierig in die Tiefe hinabblickend, dahin auf anderem
Gebiete die Verwendung von Drachen, Schlangen und an-
deren biegsamen 'l'hierleibern zu den Initialen der Hand-
schriften. Dagegen bleibt die Personiticalion abstracter Be-
griffe beliebt; die hergebrachten Figuren dieser Art werden
meistens beibehalten und durch neue vermehrt, aber auch
bald in handelnde Bewegung gesetzt, und es entsteht, an
Stelle der bloss traditionellen Symbolik, durch eine Ver-
bindung scholastischer und poetischer Elemente die bewusste
Allegorie. Vor Allem aber ist jene feine Symbolik des
Raumes, von der ich schon früher gesprochen habe für
diese Epoche charakteristisch, indem sie ganz auf der in-
nigen Verbindung des Architektonischen und Bildlichexi be-
ruhet und besonders an Werken der decorativen Kunst ein
sehr eigenthülnliches Mittel gewährt, durch abstracte Raum-
verhältnisse feinere geistige Beziehungen auszudrücken.
r) Band rv, Abth. 1, s. 401.
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