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Die
(im-stellenden
Künste.
in den Wundern seiner Schöpfung erkannte. Aber diese
Regungen des Natursinnes gingen nicht weiter als das
Interesse, Welches sie hervorbrachte, sie waren subjective,
flüchtige Gefühle und gaben keine bleibende Anschauung.
Der Glaube an die Richtigkeit der eigenen Empfindung
und an die Wahrheit der von der Kirche ausgelegten Of-
fenbarung war so stark, dass man in den Erscheinungen
der Dinge nichts als die Bestätigung beider suchte, und
nicht ahnete, dass sie einen selbstständigen, objectiven Ge-
halt hätten. Man ging von dem schönen und in gewissem
Sinne vollkommen richtigen Gedanken aus, dass die ganze
Natur mit dem Zwecke geschaffen sei, den Menschen im
Glauben zu bestärken aber man fühlte nicht, dass es
dazu vor Allem eines richtigen Verständnisses der Schö-
pfung bedürfe; man erwartete auch diese Glaubensstärkung
nur aus schriftlicher Ueberlieferung, und es war fast un-
bekannt, dass man das Auge zu eigener Beobachtung
öffnen könne. Dies Verhältniss zur Natur ist ein uns so
fremdes, dass es wohl der Erläuterung durch ein ohnehin
hieher gehöriges Beispiel bedarf.
Wir besitzen eine Reihe von Handschriften sogenannter
Bestiarien, in welchen 'l'hiere freilich nicht sowohl be-
schrieben als wegen gewisser ihnen beigelegter Eigen-
schaften als Symbole theologischer oder moralischer Sätze
betrachtet werden; Wahrscheinlich liegt ihnen ein älteres
und zwar griechisches Werk zum Grunde. das aber fort-
während bis in's fünfzehnte Jahrhundert neue und sehr
abweichende Bearbeitungen erhalten hat und an das nur
dadurch erinnert wird, dass die Bearbeiter sich stets auf
1'] Wie es Peter der Pinarde in seinem sogleich näher zu erwäh-
nenden Physiologus naiv ausdrückt: Gar totes les cräatures que Diex
cria en tere, cria il par home et par prendre essample de foi en eles
et de cröarxce.