Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Entstehung und Ausbildung des gothischen Styls (Bd. 5 = [2], Bd. 3)

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Die 
(im-stellenden 
Künste. 
in den Wundern seiner Schöpfung erkannte. Aber diese 
Regungen des Natursinnes gingen nicht weiter als das 
Interesse, Welches sie hervorbrachte, sie waren subjective, 
flüchtige Gefühle und gaben keine bleibende Anschauung. 
Der Glaube an die Richtigkeit der eigenen Empfindung 
und an die Wahrheit der von der Kirche ausgelegten Of- 
fenbarung war so stark, dass man in den Erscheinungen 
der Dinge nichts als die Bestätigung beider suchte, und 
nicht ahnete, dass sie einen selbstständigen, objectiven Ge- 
halt hätten. Man ging von dem schönen und in gewissem 
Sinne vollkommen richtigen Gedanken aus, dass die ganze 
Natur mit dem Zwecke geschaffen sei, den Menschen im 
Glauben zu bestärken  aber man fühlte nicht, dass es 
dazu vor Allem eines richtigen Verständnisses der Schö- 
pfung bedürfe; man erwartete auch diese Glaubensstärkung 
nur aus schriftlicher Ueberlieferung, und es war fast un- 
bekannt, dass man das Auge zu eigener Beobachtung 
öffnen könne. Dies Verhältniss zur Natur ist ein uns so 
fremdes, dass es wohl der Erläuterung durch ein ohnehin 
hieher gehöriges Beispiel bedarf. 
Wir besitzen eine Reihe von Handschriften sogenannter 
Bestiarien, in welchen 'l'hiere freilich nicht sowohl be- 
schrieben als wegen gewisser ihnen beigelegter Eigen- 
schaften als Symbole theologischer oder moralischer Sätze 
betrachtet werden; Wahrscheinlich liegt ihnen ein älteres 
und zwar griechisches Werk zum Grunde. das aber fort- 
während bis in's fünfzehnte Jahrhundert neue und sehr 
abweichende Bearbeitungen erhalten hat und an das nur 
dadurch erinnert wird, dass die Bearbeiter sich stets auf 
1'] Wie es Peter der Pinarde in seinem sogleich näher zu erwäh- 
nenden Physiologus naiv ausdrückt: Gar totes les cräatures que Diex 
cria en tere, cria il par home et par prendre essample de foi en eles 
et de cröarxce.
	        
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