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Gothischer
Styl
in
Deutschland.
Halbsäulen, theils aber achteckig mit acht zierlichen Säul-
chen in den eingekerbten Ecken, theils auch aus zahlrei-
chen verschiedenartigen Rundungen oder Ecken, ähnlich
wie einige Pfeiler in Chorin, zusammengesetzt sind. An
den meisten dieser Kirchen finden wir auch ziemlich reiche,
aus Formsteinen gebildete Portale, freilich stets mit häu-
figer Wiederkehr von ein oder zwei Formen. Wir sehen
daher auch hier ein Schwanken zwischen der bequemen
Einfachheit des bisherigen Uebergangsstyles und dem Be-
streben, sich immer mehr den reicheren Formen des west-
liehen Styles anzuschliessen, und es blieb dem folgenden
Jahrhundert vorbehalten, das rechte Maass und die dem
Ziegelbau günstigste Form der Gothik zu finden.
Preussen, das in der Architekturgeschichte des fol-
genden Jahrhunderts eine bedeutende Rolle einnehmen wird,
war für jetzt noch ein Land wilden Kampfes; wir haben
daher das ganze Gebiet deutscher Civilisation, so weit es
sich jetzt erstreckte, durchwandert und können zurück-
blicken, um das Resultat zusammenzufassen. Da sehen
wir denn am Schlusse des dreizehnten Jahrhunderts in
ganz Deutschland, von den Alpen bis zum Meere und von
der lothriugischen Gränze bis zu den äussersten Ostmarken,
die Herrschaft des gothischen Styles überall entschieden;
wir haben keine Provinz, die ihm ein hartnäckiges Wi-
derstreben entgegensetzte, wie in Frankreich die südlichen
Landschaften. Er War nicht bei uns entstanden, aber er
entsprach schon vorhandenen 'l'endenzen, gewährte ein
Mittel sie zu fördern und zum Abschluss zu bringen,
wurde daher mit Gunst aufgenommen und nicht wie ein
Fremdling, sondern wie eigenes Erzeugniss, mit Freiheit
und Meisterschaft behandelt. Darum ist denn auch das
Resultat ein sehr befriedigendes. Zwar können wir nicht