Zweites
Kapitel.
Ausbildung
des
gothischen
Styls
Frankreich.
Durch die neue Richtung des Zeitgeistes erlitt auch die
Stellung der Nationen eine Aenderung. In der ersten
Epoche, wo alle Gegensätze einfach und schroff aufgefasst
Wurden, WO römische 'l'raditi0nen und germanische Kraft
sich völlig gesondert gegenüberstaixden, hatte die reine,
ungemischte Nationalität der Deutschen den Vorzug nicht
nur der politischen Macht, sondern auch der gediegensten
Bildung; jetzt wo sich eine neue, aus römischen und ger-
manischen Elementen verschmolzene Civilisation bildete,
nahm das Volk, in welchem beide Elemente schon factisch
in genügendem und gleichem Maasse vorhanden Waren,
die erste Stelle ein. Es War dies kein anderes als das
französische, dessen Nationalität erst unter dem Einflusse
der neuen Richtung entstand. In der vorigen Epoche sahen
wir das alte Gallien durch den Gegensatz der Abstammung
seiner Bewohner zerrissen; es gab keine herrschende Region,
der Süden War dem Norden fremd, jede Provinz stand für
sich. Als aber mit dem Ritterthume und der Scholastik
germanische Freiheitsbegriffe eine grössere und allgemeinere