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Gothischer
Styl
in
Deutschland.
Zum Theil erklärt sich diese mangelhafte Behandlung des
Styles daraus, dass ihm ausser dem Material auch das
architektonische Lebensprincip fehlte, die Wölbung. Denn
nur die Seitenschiße haben wirkliche Kreuzgewölbe, wäh-
rend das Mittelschiff, das Kreuz und selbst der Chor mit
einer Holzdecke versehen sind, Welche in einigen Fällen
die Gestalt einer VVölbung nachahmt. Auch lassen die
nackten, ungegliederten, meistens nur durch eine Reihe von
Mauerblenden unter den Fenstern belebten Ober-Wände kei-
nen Zweifel darüber, dass eine Wölbung nie beabsichtigt
worden. Der innere Grund für die Ausbildung der stre-
benden und tragenden Formen fehlt also; nur der Schein,
nicht das Wesen ist gegeben. Diese Oberwände werden
dann endlich nicht von gegliederten Pfeilern, sondern
wie in Belgien von schlanken Rundsäulen mit acht-
eckiger Basis und mit einem runden, durch Blattwerk ver-
zierten Kapitäl getragen, was bei manchen Durchsichten
nicht ungünstig Wirkt, und den späteren holländischen Ar-
chitekturmalern möglich machte, den Innenansichten ihrer
einheimischen Kirchen einigen Reiz abzugewinnen, aber
doch nicht den Mangel constructiver Kraft ersetzen kann.
Es versteht sich, dass die schon erwähnte Kathedrale
von Utrecht von dieser Schilderung nicht betroffen wird.
Auch muss ich zugeben, dass meine Anschauungen sich
auf die Kirchen der grösseren holländischen Städte be-
schränken, die meistens erst aus dem vierzehnten und fünf-
zehnten Jahrhundert zu stammen scheinen t), dass ferner
die Nüchternheit ihres Anblickes durch die Strenge des
holländischen Protestantismus gesteigert ist, der nicht bloss
jeden malerischen Schmuck sorgfältig zerstört, sondern
"Ü Niederländische Briefe S. 168 und 17-1,
Wesentlichen übereinstimmenden Bemerkungen F. v.
Museum 1834, Nro. 37 und 38.
vergl. mit den im
Qnasfs in Kuglex-"s