Holland.
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Ungeachtet der sehr entschiedenen Einwirkung des Ma-
terials und der wenigstens im Allgemeinen gleichartigen
Geistesrichtung der Bewohner sind die Leistungen der ein-
zelnen Landschaften des weiten Gebietes der norddeutschen
Backsteinarchitektur doch sehr abweichend. Wir müssen
Sie daher einzeln betrachten und beginnen unseren Ueber-
blick auf der westlichen Gränze. Für das WVesen der
Holländer ist es in vielen Beziehungen charakteristisch,
dass sie den niederdeutschen Volksgeist und zwar in höch-
ster Steigerung seiner Zähigkeit und Nüchternheit mit einer
entschiedenen Hinneigung zu der Weise der westlichen,
romanischen Völker vereinigen. Die geographische und
dynastische Verbindung, in welcher sie seit uralten Zeiten
mit den belgischen Provinzen standen, Lmd die durch die
Eigenthümlichkeit ihres Landes gegebene Richtung nach
Aussen, nach den anderen Küsten der Nordsee, mag diese
Erscheinung erklären. Von dieser Vereinigung zeugen
auch ihre mittelalterlichen Kirchen. Sie haben die Einfach-
heit und Schmucklosigkeit, welche allen niederdeutschen
Bauten gemein ist, und zwar im höchsten Maasse, und
sind dennoch in der Anordnung Nachbildungen der fran-
zösischen Kathedralen. Sie sind meistens in geräumigen
Dimensionen angelegt, in Kreuzgestalt, mit niedrigen Sei-
tenschitfen, im Chor mit Umgang und Kapellenkraxiz, aber
von schwerfälligen, breiten Verhältnissen, ohne organische
Durchbildung und feineres Detail. Die Leichtigkeit des
Wassertransportes bewirkte, dass man statt der mühsamen
Formsteine die Gewände von Thüren und Fenstern, die
Gesimse und Ecken der Strebepfeiler von Sandstein bildete,
aber auch dies geschah ohne feinere Steinmetzarbeit. Der
Schmuck der Fialen und Strebebögen fehlt, das Maass-
Werk, freilich häuüg bei späteren Restaurationen ganz her-
ausgeschlagen, ist in der Regel flach und bedeutungslos.