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Gothischer
Styl
in
Deutsichlau d.
lonjstenland, eben erst aufblühend und gewohnt, dem Vor-
gange anderer Gegenden zu folgen. Allein so sehr dem
Baeksteinbau jene eben genannten Bestandtheile des gothi-
schen Styles zusagteil, so wenig entsprach ihm der eigent-
liche Grundgedanke desselben, das Strebesystem. Dies
System, Welches die ganze Last der Wölbung auf einzelne
Pfeilermassen vertheilt und die Zwischenräume durch leichte
Wände verschliesst, setzt mächtige Werkstücke natür-
lichen Steines voraus, die sich durch ihre Schwere und
Elasticität im Gleichgewichte halten. Der Backsteinbau
dagegen hat kleine Steine durch die__ Kraft des Mörtels zu
verbinden, und eignet sich mithin für starke, glattedMauern,
Welche allenfalls durch Verstärkung an besonders belasteten
Stellen gesichert werden konnten, aber doch auch neben
denselben zu ihrer Haltbarkeit einer grösseren Stärke be-
durften. Die grosse Ausladung der Strebepfeiler war daher
überflüssig, die Bedeutung der Strebebögen fiel fast ganz
fort. Ueberdies war der ganze Schmuck, der sich aus
jenem System entwickelte, die plastisch belebten, durch-
broehenen Formen, die Fialen, Spitzgiebel, Strebebögen,
die zierliche Ausbildung des freien Maasswerkes theils
zwecklos, theils schwierig und nur unvollkommen herzu-
stellen. Dennoch wusste man diese Hindernisse durch
Kunst und Fleiss zu überwinden und mit Hülfe von Form-
steinen gothische Bauten herzustellen, welche mit den in
natürlichem Steine ausgefüluten wetteiferten. Allein das
Widersirebende Material verursachte doch, dass man mei-
stens noch lange die strengen und einfachen Formen des
bisherigen Uebergangsstyles theilweise beibehielt und sie
mit einzelnen gothischen Gliederungen mischte. Erst all-
mälig und nach vielfachen Versuchen kam der gothische
Styl auch hier zu allgemeiner und ausschliesslicher Geltung,
musste sichldabei aber manchen Modificationen unterwerfen,