Die
darstellenden
Künste.
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welcher ihre Handschriften zu illustriren hatte, durch die
Wärme der poetischen Schilderung zu lebendigeren und
ausdrucksvollereil Bewegungen zu begeistern. Dagegen War
der mittelbare Einfluss der Poesie auf diese Künste nicht
unbedeutend. YVenn die lilinnesänger die Anmuth ihrer
Damen und die Lieblichkeit des Frühlings feiern, sprechen
sie freilich nur leichte, subjective Empfindungen aus; aber
ihre Lieder führten doch dahin, das Auge für die Natur
zu öffnen, den traditionellen BegrilT der Schönheit mit dem
WVohlgefallen an der natürlichen Erscheinung in Verbin-
dung zu bringen. Die Spuren eines zunehmenden Gefühls
für psychologische VValn-heit, für Lebendigkeit und Aus-
druck der Bewegungen linden sich daher in den plastischen
WVerken bald nachdem die neue Dichtung mehr und mehr
Gemeingut geworden war. Vom Anfange des dreizehnten
Jahrhunderts an zeigen auch die Pflanzenornainelite statt
der bisherigen conventionellen Form mehr und mehr eine
Aehnlichkcit mit einheimischen Gewächsen. Aber erst noch
später, als die Dichtkunst schon auf ihrer Höhe stand und
tiefer eingewirkt haben konnte, äussert sich ein stärkeres
und richtigeres Gefühl für die Schönheit der menschlichen
Gestalt; die Formen werden voller und gerundeter, die
Mienen und Bewegungen sprechender und anmuthiger.
Und dies geschieht in einer den ritterlichen Dichtungen
sehr verwandten Weise, mit derselben Leichtigkeit der
Production, mit denselben Sclnvächeli. Die Körperverhält-
nisse und Ausdrucksmittel sind unbestimmt, wie dort die psy-
chologischen Motive, das Charakteristische ist noch wenig
ausgebildet. Tiefere Studien sind überall nicht gemacht, und
das V erstahulniss der Natur äussert sich mehr an Weib-
lichen, als an männlichen Gestalten, befriedigender im
Holdseligen und Freundlichen, als im Ausdrucke des
Schmerzes oder ruhiger XVürde. Können wir daher auch