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Gothischer
Styl
in
Deutschland.
bogen, den sie unterhalb der Spitze des Fensters bilden
und der die Ausfüllung des Zwischenraumues durch einige
ziemlich müssige Figuren erfordert, contrastirt mit der son-
stigen consequenten Durchführung des gebrochenen Bogens.
Das zierliche Nasenwerk fehlt gänzlich, und man kann
zugeben, dass die ganze Anordnung keinesweges, wie die
des französischen Styles, eine bis ins Einzelne durchge-
führte organischeEntwickelung darstellt. Allein bei alledem
ist die Wirkung dieser prachtvollen, stets wechselnden
Muster, namentlich auch dieser sonnenartig ausstrahlenden
Körper in dem Lichtfelde der Fenster eine bezaubernde,
rund wir fühlen, dass eine, auf Vergleichung beruhende
Kritik hier nicht angebracht ist. Das ganze Gebäude
ist wirklich eine in sich durchaus harmonische Con-
ception, deren Abweichungen von den gothischen Werken
anderer Gegend durch die Hallenform, die weite Pfeiler-
Stellung, die qnadraten Hauptgewölbe bedingt sind. Die
Kreisform innerhalb der Fenster steht in voller Analogie
mit den Quadraten der Gewölbfelder, der hohe Schwung
der Gewölbe nöthigt den breiten Grundverhältnissen den
Ausdruck des Schlanken und Kühnen ab, ihre überhöhte
Form giebt durch die Mannigfaltigkeit der sich durch-
schneidenden Bogenlinien dem perspectivischen Durchblick
einen eigenthümlichen Reiz und bringt ein bewegteres Le-
ben in die an sich einfache und schwere Haltung des
Ganzen. Ueber die Entstehungszeit dieses herrlichen Baues
wissen wir, wie gesagt, nichts Näheres. Die Wahrschein-
lichkeit, dass das Langhaus nicht lange nach der Vollen-
dung des Kreuzschiffes in Angriff genommen, die man-
nigfachen Beminiscenzen an den Uebergangsstyl und die
Behandlung der gothischen Details rechtfertigen indessen
die Annahme, dass es im dritten Viertel des Jahrhunderts
begonnen sei.