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Gothischer
Styl
in
Deutschland.
hier bedeutend mehr als drei Siebentel, fast die Hälfte. Al-
lerdings ist dies zum Theil nur scheinbar, indem sämmtliche
Bögen stark überhöht sind, so dass der untere Theil der dicht
gedrängt aufsteigenden Rippen in der That nur eine senk-
rechte Unterlage der erst weiter oben sich abneigenden
Wölbung bildet. Allein dies ist für die Wirkung gleich-
gültig, zumal jener Wirkliche Anfang der einzelnen von
demselben Pfeiler getragenen Bögen nach Maassgabe ihrer
grösseren oder geringeren Spannung tiefer oder höher liegt,
und daher nicht sehr auffällt. Der Winkel, den der Bogen
mit dem senkrechten Theile der Rippen bildet, erscheint
dem Auge daher um als kühne und unberechenbare Schwin-
gung der verschiedenen Bögen, lllld macht sich nur in den
Seitenschiifen, wo die Ueberhöhung sehr viel grösser ist,
um ungeachtet der sehr viel geringeren Breite den Ge-
wölben eine annähernd gleiche Seheitelhöhe mit denen des
Mittelschitfes, zu geben, stärker geltend. Alles dies erin-
nert noch einigermaassen an den Uebergangsstyl, der in
Westphalen, wie wir gesehen haben, oft wirkliche Kuppel-
gewölbe, oft aber auch, z. B. im Chore der Nicolaikapelle
zu Ober-Marsberg und in der Klosterkirche von Bai-sing-
hausen ab), quadrate Kreuzgewölbe hatte, die bei der gros-
sen Spannung ihrer halbkreisförmigen Diagonalen ein ähn-
liches Verhältniss zur Gesammthöhe Wie hier erreichten.
Auch ist die Praxis, die Bögen ilach lllaassgabe ihrer
Spannung an verschiedenen Stellen der Höhe anheben zu
lassen, dem [lebergangsstyle völlig geläufig, nur dass er
dann dies Verfahren nicht wie hier verbarg, sondern mit
naiver Olfenheit zur Schau trug, indem sich auch die Höhe
der tragenden Säulen und die Lage der Kapitale nach dem
Bogenanfang richtete, obgleich der Pfeiler, zu dem sie ge-
hörten, dadurch eine etwas unregelmässigere Gestalt bekam.
Lübke
Taf.
XII.