G eschichle
des
Kölner
Domes.
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hat es gar keine, in Clerrnont und in Orleans nur eine
geringe Ausladung, in 'l'r0yes istes einschiflig. Der Plan
des Kölner Meisters ist daher ganz eigenthümlieh und ent-
spricht vermöge seiner grossarligen, aber etwas abslracten
Consequenz mehr dem Geiste des vierzehnten Jahrhunderts,
als der Frühzeit des gothischen Styles. Jedenfalls wird
man annehmen dürfen, dass der Meister, welcher bei der
Choranlage dem Vorbilde von Amiens so genau folgte,
auch bei der Anlage des Langhauses sich den Grundsätzen
der damaligen französischen Schule näher angeschlossen
haben Würde, Wie denn auch die weiter unten zu erwäh-
nende Klosterkirche zu Altenherg bei Köln, welche wir
als ein VVerk des ersten Dombaumeisters betrachten kön-
nen, wirklich wie in Amiens den fünfschiffigeil Chor und
das dreischifüge Langhaus hat.
Besonders diese, aus den vorausgeschiekten historischen
Daten mit Nothwendigkeit hervorgehende Folgerung, dass
der Grundplan des Kölner Domes nicht das YVerk eines,
sondern zweier (lurch einen Zeitraum von etwa '70 Jahren
getrennten Meister sei, hat lebhaften Streit hervorgerufen.
Boisseree war zu der Annahme eines schon im Jahre
1248 gefertigten Gesammtplarles nicht bloss durch die hi-
storische Voraussetzung der totalen Zerstörung des alten
Domes bei jenem Brande, sondern auch durch ästhetische
Gründe bestimmt werden. Er betrachtete diesen Gesammt-
Plan als eine so vollendete, sei harmonische, so unver-
gleichliche Coneeption, dass sie nur wie die gerüstete Mi-
nervn mit einem Male aus dem Haupte eines Meisters her-
Vßrgegangen sein könne, er glaubte in diesem einen vor
allen seinen Zeitgenossen mächtig hervorragenden Genius,
einen der grössten Künstler aller Zeiten zu erkennen. Die
stückweise Eiltstehuilg dieses Planes schien ihm eine Un-
möglichkeit, die Annahme einer solchen eine Lästerung.
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