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Gothischer
Styl
in
Deutschland.
gnügt; sein Nachfolger verlangte viel schlankere Verhält-
nisse. Er nahm daher keinen Anstand, das Gewölbe sei-
nes Mittelschilfes so hoch hinaufzuführen, dass die Aus-
senwand der Kuppel grossentheils in das Innere fiel und
die westliche Hälfte der Kuppel von dem Dache bedeckt
wurde. Er erreichte hierdurch die ziemlich beträchtliche
Höhe von 96 Fuss, die aber zu der ungewöhnlichen Mit-
telschiffbreite von 54 Fuss noch keinesweges ein ganz
befriedigendes Verhältniss, namentlich nicht das in Rheims
und Amiens angenommene des Dreifachen ergiebt. Dazu
kam, dass er, um bei der Beschränkung der östlichen
Theile Raum zu gewinnen, auch den SeitenschiHen eine
mehr als gewöhnliche, und dem Pfeilerabstand eine ent-
sprechende Breite geben musste, wodurch es denn entsteht,
dass die Höhe der einzelnen Wandfelder nicht wie in jenen
französischen Domen das Fünffache, sondern mn- das Vier-
tehalbfache des Pfeilerabstandes beträgt. Dies alles verur-
sacht, dass das Innere des Münsters dem Beschauer, we-
nigstens auf den ersten Blick, zumal wenn sein Auge durch
die kolossalen und kühnen Verhältnisse der Facade ver-
wöhnt ist, nicht so schlank und aufstrebend erscheint, wie
in anderen gothischen Kathedralen. In allen Details dage-
gen steht der Meister auf der Höhe des Styles und schliesst
sich schon den reicheren Vorbildern desselben an. Das Stre-
besystem ist völlig durchgeführt; viertheilige Fenster füllen
im Ober- und SeitenschiHe den ganzen Raum zwischen
den Strebepfeilern, welche auf nnächtigem Unterbau sich
zu 'l'abernakeln mit Statuen, feinen Fialen und Blattbüscheln
an den Rändern derselben entwickeln. Im Inneren linden
wir zum ersten Male auf deutschem Boden die vollständige
Belebung der Wand, wie in den französischen Kathedralen,
die Arcatur unter den Fenstern der Seitensehiffe, das Tri-
forium unter den Oberlichtern. Auch folgt unser Meister