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Historische
Einleitung.
keine Heimath, schweift in allen Ländern und Zeitaltern
umher. Ihre Sänger treten als Einzelne auf, als Bericht-
erstatter, nicht von göttlichen Dingen oder von der grossen
Vergangenheit, sondern von vereinzelten Abenteuern und
persönlichen Gefühlen, oder höchstens von phantastisch
entstellten Sagen, Welche sie selbst nicht verbürgen, die
sie nur scheinbar auf fremde Zeugnisse stützen. Diese
anspruchslose Haltung ist ein wesentliches Element der
romantischen Poesie, alle ihre Vorzüge hängen damit zu-
sammen; sie gestattet dem Dichter, sich kühner zu bewe-
gen, Unerhörtes zu wagen, sich mit anmuthiger Leichtig-
keit zu unterbrechen, der eigenen Phantasie freiesten Auf-
schwung zu gestatten, die der Zuhörer zu reizen und zu
steigern. Aber sie ist auch nicht bloss ein künstlerisches
Mittel, sondern eine innerlich begründete, nothwendige
Folge der ganzen Stellung der Poesie; sie schloss jene
höhere künstlerische Objectivität aus, durch welche die
klassische Durchbildung der Poesie bedingt ist, gab den
Dichtern eine dilettantische Richtung, verleitete und nöthigte
fast zu Ungleichheiten , zur Geschwätzigkeit, zu Künste-
leien des Verses und des Gedankens, so dass auch diese
Fehler, welche nach Maassgabe der grösseren oder gerin-
geren Fähigkeit der einzelnen Dichter mehr oder minder
hervortreten, nicht vereinzelte oder zufällige Erscheinungen,
sondern in der Natur der Verhältnisse begründet sind.
Bei alledem haben diese Gedichte doch grosse Vorzüge,
die edelsten Motive aufopfernder Begeisterung und einer
grossartigen Weltanschauung liegen vielen zum Grunde,
Jugendwärme und Waldfrische wehen uns. aus ihnen ent-
gegen. Und noch wichtiger waren sie für ihre Zeit. Die
Poesie befreite den Geist von seinen Banden, wagte sich,
je laienhafter und dilettantischer desto kühner, auf die
Gebiete religiöser und philosophischer Gedanken; sie löste