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Früheste
gothische
Bauten
in
Deutschland.
des ganzen Fensters und die beiden äusseren Bögen über-
höht sind, während der mittlere niedriger gehalten ist und
eine Kreisölfnung mit einem Sechspasse trägt. Wir sehen
also den Rundbogen mit Maasswerkformen verbunden,
welche die Kenntniss des gothischen Styles voraussetzen,
wie denn auch die regelmässigen Strebepfeiler und die schon
unterhöhlten Profile der Gewölbrippen darauf hindeuten.
Nur an einer auf der Westseite des Kreuzganges und un-
mittelbar neben der Liebfrauenkirche angebauten Kapelle ha-
ben die LichtöHnungen (bei übrigens gleicher Anordnung
und mit Beibehaltung des Halbkreises an dem mittleren
Bogen, welcher den Kreis trägt) durchweg Spitzbögen.
Im Jahre 1215 wurde, zufolge einer Ueberlieferung, das
an den Kreuzgang anstossende Refectorium hergestellt St),
aber noch im Jahre 1258 bewilligte Papst Alexander IV.
einen Ablass zu Gunsten der Trierer Domkirche, in wel-
cher ausdrücklich das „Kl0ster" als vor Alter verfallen
bezeichnet wird Indessen ist diese letzte umfassende
Bezeichnung nicht gerade auf den Kreuzgang, sondern auf
andere Klostergebäude, vielleicht auf jene erwähnte Kapelle
zu beziehen, Welche ihrer Lage nach erst nach Beendigung
der Chornische der Liebfrauenkirche erbaut sein kann, so
dass die rundbogigen 'l'heile des Kreuzganges früher, zum
Theil vor, zum Theil während des Baues dieser Kirche
entstanden sein mögen. Sie geben einen merkwürdigen
Beweis, wie man um diese Zeit die Elemente beider Style
zu verschmelzen suchte.
1') Schmidt a. a. O. S. 4G.
i?) In den Annales archeologiques XII, p. 161 wird der Text
dieser bis dahin nnadirigen Urkunde mitgetheilt. Die Worte: "ernlesia
et claustrum nimia vetustate consumptunx" sind wieder offenbare Ueber-
treibnngen der Ablassurkunde und lassen daher den wahren Sinn zwei-
felhaft, zumal das Wort "claustrum" alle Gebäulichkeiten des Dom-
stiftes umfasst.