Die
Liebfrauenkirche
in
Trier.
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der dann später dasselbe Motiv in reieherer VVeise an der
Liebfrauenkirche anwandte. Jedenfalls aber, wenn dies
nicht der Fall war, beweist schon die Wahl jenes halb-
deutschen Vorbildes eine ungewöhnliche Klarheit und Si-
cherheit des künstlerischen Bewusstseins, die uns denn auch
überall in der Ausführung entgegentritt. Der Meister wagt
es, die in Frankreich längst aufgegebene l4'0rm des rund-
bogigen Portals beizubehalten, Weil sie dem anmuthigen
Charakter seines XVerkes zusagt, er geht in der Bildung
des Kapitäls im Geiste des gothischen Styles weiter, als
die meisten seiner französischen Zeitgenossen, er wendet
sich, wo ihn weder die deutschromanische noch die fran-
zösische Ornamentik befriedigen, unmittelbar an die Natur.
Er verräth an keiner Stelle die Mattigkeit des Nachahmers;
jede Linie der Prolilirung, jedes kleinste Detail athmet
vielmehr eine Wärme der Empfindung, Welche dem gan-
zen Werke einen Charakter der Jugendfrische und an-
spruchloser Schönheit verleiht, die jeden empfanglichen
Beschauer entzückt. So trat also der gothische Styl, ob-
gleich von Französischen Vorbildern hergeleitet, schon bei
seinem ersten Erscheinen auf deutschem Boden mit voller
Selbstständigkeit und mit tieferem Verständniss des Prin-
Cips auf; der deutsche Geist behandelte ihn nicht als eine
fremde, fertige Schöpfung, sondern als sein Eigenthum.
Sehr interessant ist auch der Kreuzgang des Domes de],
dessen Kapitale und Profile zum Theil mit denen der Lieb-
frauenkirche so genau übereinstimmen, dass man sie für
Arbeiten desselben Meisters halten möchte, dessen eigen-
thümliche Mischung romanischer und gothischer Elemente
aber zweifelhaft macht, ob er später oder früher entstanden
ist. Seine (lreitheiligen Liehtölihuilgen sind nämlich rund-
bogig, und zwar in der Art, dass der [Tmfassungsbogen
Vgl.
Schmidt
Lief.
Taf.
und 7,
31'
und