Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Entstehung und Ausbildung des gothischen Styls (Bd. 5 = [2], Bd. 3)

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Früheste 
gothische 
Bauten 
in 
Deutschland. 
bau, sie hat das gewöhnliche Langhaus und rechtwinkelig 
gestellte Kreuzarme, aber der Chor gleicht dem der Lieb- 
frauenkirche durchweg, auch in den Verhältnissen des 
weiter hervortretenden, mit fünf Seiten des Zehnecks ge- 
schlossenen Altarraumes und der einzehIen Abtheilungen der 
Gewölbanlage so vollständig, dass man ein zufälliges Zu- 
sammentrelfen unmöglich annehmen kann. Die französische 
Kirche ist in den Jahren 1180 bis 1216 erbaut, also älter 
als die Liebfrauenkirche, und wir müssen daher aimehmen, 
dass der deutsche Meister sie gekannt und benutzt hat 
Diese Uebereinstimmung beider Kirchen erstreckt sich aber 
keinesweges auf die Details, Welche in St. Yved ziemlich 
roh und in der schweren Weise des frühgothisehen Styles, 
in der Liebfrauenkirche dagegen theils an rheinische Ueber- 
gangsbauten erinnernd, theils im Geiste des gothischen 
Styles sehr viel feiner entwickelt sind. Die Pfeiler an der 
Vierung sind kantonirte Rundsäulen, die hier zum ersten 
Male auf deutschem Boden erscheinen, die übrigen einfache, 
überaus schlanke Säulen, diese auf rundem, jene auf acht- 
eckig gestaltetem Sockel, Welcher die Rundung des Kernes 
in die Achsenlinien des Gebäudes überleitet. Das Maasswerk 
der zweitheiligen Fenster ist noch sehr einfach und gleicht 
dem in Notre-Dame von Paris M), indem der (hier in- 
 Das Verdienst, die Aehnlichkeit beider Kirchen entdeckt zu 
haben, scheint Herrn Mertens zu gebühren, der in seinen zu Düssel- 
dorf 1841 gehaltenen Vorlesungen zuerst darauf aufmerksam machte, 
und mich dadurch veranlasste, bei einer späteren Reise in Frankreich 
St. Yved zu besuchen. 
w?) Ich benutze diese Gelegenheit, um nachträglich zu der Be- 
schreibung von Notre-Dame von Paris zu bemerken, dass, wie man 
bei der Restauration entdeckt hat, die Oberlichter ursprünglich einfache 
Lancetform hatten, und die jetzigen Maasswerkfenster erst später, jedoch 
wahrscheinlich schon im Anfange des dreizehnten Jahrhunderts, noch 
vor der Vollendung des Baues, eingebrochen sind. Guilhermy, Itinä- 
raire archeologique de Paris (1855), S. 80, und Violet-le-Dnc, Dic- 
tionnaire I, S. 193, mit Abbildung der früheren Anordnung.
	        
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