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Deutscher
Uebergangsstyl.
Die meisten dieser Kirchen zeigen augenscheinlich, dass
ihre Erbauer ausschliesslich mit der Anwendung der neuen
constructiven Formen des Spitzbogens und der WVölbung
beschäftigt Waren, und von dem hergebrachten Style lllll'
so weit abwichen, als sie dazu durch diese genöthigt wur-
den. Die Ornamentation gehört noch ganz dem älteren
Style an, sie ist aber auch, vielleicht mit einziger Aus-
nahme des Bamberger Domes, ziemlich dürftig, die ganze
Erscheinung ist, Weit entfernt von der Anmuth lllld Har-
monie früherer sächsischer Bauten, vielmehr strenge und
spröde. Wie einfach ist selbst der Naumburger Dom, der
doch zu den reicheren Gebäuden dieser Gruppe gehört und
namentlich an zierlich ausgeführten Kapitälen keinen Man-
gel leidet, im Vergleich mit der St. Michaeliskirche zu
Hildesheim, in der nicht bloss die Kapitäle viel pracht-
voller, sondern auch die Säillenbasis und die Scheidbögen
in ihrer Unteransicht mit reichen Mustern, die VVände mit
Reliefligureil geschmückt sind; man vergleiche ferner alle
eben beschriebenen Kirchen mit den viel älteren von Pau-
linzelle oder von Huyseburg, oder auch selbst mit dem
schon gewölbten, aber noch ganz rundbogigen Dome zu
Braunschweig, um zu fühlen, wie sehr es diesen neuen
Meistern nur auf Solidität und Ernst der Construction an-
kam , wie sehr sie diesem Zwecke den Reiehthum 'des
Schmuckes und selbst die Anmuth der Verhältnisse opfer-
ten. Sie imterscheiden sich dadurch sehr merklich von der
(iecorativcil Tendenz des rheinischen Styles und nähern sich
der strengeren Richtung der Cistercienscr und des Ziegel-
baues. Unmittelbare architektonische Entlehnungen sind
(Neue Mittheil. des Thüring. Sächs. Vereins VI, 4, S. 76), und dann
wieder im fünfzehnten Jahrhundert unter Bischof Thilo von Trotha
(1468 -1514), wo das Langhaus gleichhohe Schiffe erhielt. Bei bei-
den wird daher der Spitzbogen erst aus diesen späteren Bauten stammen.