Der
Spitzbogen
und
die
Wölbung.
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nahme widerspricht jedoch die ganze Gestaltung dieser
Kirchen; wenn man auch die an sich schon unwahrschein-
liche Hypothese gelten lassen wollte, dass der Spitzbogen
sehr früh angewendet, dann wieder aufgegeben und später
durch den gothischen Styl zu hohen Ehren gekommen
wäre, so sind alle übrigen Formen, Pfeiler, Profilirungen,
Ornamente von der Art, wie sie nur an späteren Monu-
menten vorkommen und nach dem naturgcmässen Entwi-
ckelnngsgange der Baukunst nur später entstehen konnten.
Wir müssen sie daher frühestens in die letzten Jahrzehente
des zwölften, mit grösserer Wahrscheinlichkeit in die er-
sten des dreizehnten Jahrhunderts verweisen, wo denn auch
einige dieser Gebäude ein ganz bestimmtes Datum haben.
Das älteste derselben ist vielleicht die Stiftskirche zu
Fritzlar in Hessen. Der Chor derselben, polygonförmig
mit Lisenenfeldern und Ziverggallerie, gleicht dem der
Paulskirche zu bVorms k), und ist entschieden rheinischen
Ursprungs; man wird ihn vielleicht der Herstellung, Welche
der Erzbischof von Mainz im Jahre 1171 anordnete, zu-
schreiben können. Das Schiff der Kirche wird dann nach
Beendigung des Chorbaues um 1'200 begonnen sein. Es
macht einen sehr ernsten, aber (iurcliaus primitiven Ein-
druck; man sieht, dass die noch neue und schwierige
macht hat, und zwar in einem Nachfrage zu der [lebersetzung der
Reise des Gally Knight durch die Normandie (Leipzig 1841]. Die
Kirchen, welche er als Beispiele früher Anwendung des Swpitzbogens
einführt, sind die Dome zu Naumburg, Merseburg, Basel und Bamberg,
die Klosterkirche zu Memleben, die Stadtkirche zu Freiburg an der
Unstrut, und die Sebalduskirche zu Nürnberg. Kugler widersprach so-
gleich (Kunstblatt 1842, Nro. 75; kl. Schr. Il, S. 375] dieser Ansieht,
Welche jetzt von der Mehrzahl der deutschen Archäologen, man kann
Vielleicht sagen einstimmig, verworfen wird.
Vgl. den Chor von Fritzlar, bei Gladbaeh a. a. O. Taf. 24,
mit dem von Worms, bei Moller Bd. II, Taf. 15. Näheres über die
ganze Kirche nebst einigen Profilzeichnungen in Kuglefs kl. Sehr. II, 158..