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Historische
Uebersicht.
Welches das Haar an Stirn lmd Gesicht unbedeckt liess
und frei auf den Schultern herabfiel. Die Pracht des
Kirchendienstes und der öffentlichen Feste wurde zwar ge-
steigert, die Fürsten waren bei ihren Aufzügen von grösse-
rem Trosse von Reissigen und Bossen begleitet, sie um-
gaben sich zuweilen mit einer schon gleich gekleideten
und bewaffneten Mannschaft; man liebte geräuschvolle Freu-
den, reich besetzte, stark gewürzte Mahlzeiten, bunte
Pracht. Aber diese Lust befriedigte sich bei Gelegenheit
öffentlicher Feier; im Inneren des Hauses herrschte noch
sehr einfache, strenge Sitte. Die Kirchen und Klöster
wurden grösser und mit vermehrtem architektonischem
Schmucke errichtet, die iVohnungen blieben enge und
niedrig, die häuslichen Bequemlichkeiten beschränkten sich
auf das Nothwendige, die Bedürfnisse waren sehr be-
scheiden. Alle Stände waren noch unverwöhnt und von
ungeschwächter Kraft. Die Ritter, in ihrem Kriegs- und
Wanderleben auf Entbehrungen angewiesen, waren über-
dies von den Pflichten ihres Berufes noch zu sehr erfüllt,
um sich auf ihren Bilrgen einer weichlichen Lebensweise
hinzugeben; auch fehlten ihnen die Mittel, um sich Ge-
nüsse, welche das eigene Land nicht bot, zu verschaffen.
Der Bürgerstand war erst im Entstehen und fühlte die
Aufgabe, seinen Reichthum durch Sparsamkeit zu begründen.
Die reichen Kaufherren versuchten es wohl schon sich den
Rittern gleich zu stellen, aber ihr Luxus erstreckte sich
dann auch nur auf Waffen und Pferde, nicht auf üppige
Lebcnsgenüsse oder auf häusliche Bequemlichkeiten. Ich
werde später Gelegenheit haben zu zeigen, wie gering in
dieser Beziehung selbst in Italien, dem civilisirtesten Lande,
die Ansprüche waren. Auch komite es nicht fehlen, dass
der durch den neu gegründeten Orden der Cistercienser
eifrig angeregte Geist ascetischer Enthaltsamkeit auf die