Einfache
Lebensweise.
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arten konnte, gewährte edeln Gemüthern eine beneidens-
werthe, gewissermaassen künstlerische Unbefailgenheit, welche
der gestaltenden Kraft ethischer Motive günstig war.
Es bleibt mir noch eine Seite des Lebens zu berühren,
die materielle, und da ist es merkwürdig, dass diese
in allen geistigen Beziehungen so rüstig fortschreitende
Epoche in Beziehung auf Tracht und Lebensweise im
VVesentlichen die alte Sitte beibehielt. Zwar eifern auch
jetzt noch die strengeren Moralisten und selbst polizeiliche
Vorschriften gegen den Kleiderluxus, aber wir finden nicht,
dass bedeutende Veränderungen eintraten. Die Rüstung
war noch so schwer, dass man sie Verwundeten nicht
so bald wieder anlegen konnte, dass sie, wie Joinville bei
einem ihn selbst betreffenden V orfalle erzählt, nicht gestat-
tete, das Schwert rasch zu ziehen. Es scheint sogar, dass
die strenge, religiöse Sitte des Bitterthunls auf eine Ver-
einfachung der 'I'rachten führte; wenigstens verschwinden
auf den Monumenten die verzierten Ränder der Kleider
und wir sehen durchweg schlichte in graden Falten herab-
fallende Gewänder. Erst nach der Mitte des (lrcizehnten
Jahrhunderts kommen wieder reichere Verzierungen vor;
Joinville bemerkt, indem er die in seinen späteren Tagen
aufkommende grössere Iüeiderpracht rühmt, dass er auf
dem ganzen Kreuzzüge Ludwigs IX. keine Stickerei an
Kleidern oder Sätteln gesehen habe. Erst jetzt erfand man
auch technische Mittel, die Kettenharnische leichter und
bequemer zu machen, und es wurde nun allgemeine
Sitte, ein leichtes Oberkleid, an dem man auch wohl schon
das VVappenzeichen anbrachte, über der Rüstung zu tragen.
Auch die Frauentracht war noch sehr einfach und natür-
lich, das Obergewand noch ohne Taille, entweder frei
herunter-fallend oder durch einen Gürtel zusammengehalten,
der Hals frei, der Kopf von einem Schleiertuche umhüllt,