Verfassung
des
Ordens.
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feste Hierarchie; sie hatte nur einen Abt, den des Mutter-
klosters, alle anderen Stiftungen bildeten nur Priorate, die
von Cluny aus besetzt und geleitet wurden. Allein diese
Coneentration hatte ebenso wie jene Isolirung zum Verfall
der Disciplin geführt. Cluny, der Sitz einer ausgedehnten
Herrschaft, hatte den Versuchungen des Reichthums und
der Macht nicht widerstehen können und den unterworfenen
Klöstern das Beispiel laxer Sitten gegeben. Die Cister-
cienser schlugen daher einen mittleren Weg ein und suchten
ihrer Verfassung durch die Mischung monarchischer und
demokratischer Elemente eine grössere Haltbarkeit zu geben.
Citeaux war der Sitz der obersten Leitung; unter dem
Vorsitze seines Abtes wurden die Generalkapitel des Or-
dens abgehalten, auf welchem die Mehrzahl der versam-
melten Aebte allgemeingültige Beschlüsse fasste. Aber jedes
Kloster hatte seinen eigenen Abt und jedes Mutterkloster
führte die Aufsicht über alle von ihm ausgegangenen Klö-
ster, so dass jede der vier ältesten Töchter über zahlreiche
Stiftungen gestellt War. In ihrer inneren Verwaltung und
bei der Wahl des Abtes war den einzelnen Klöstern Selbst-
ständigkeit gelassen, aber alljährlich unterlagen sie einer
Visitation, durch zwei von dem Abte von Citeailx, aber
aus Klöstern derselben Abstammung ernannte Aebte. Selbst
Citeaux war von dieser Regel nicht ausgenommen, die
Aebte jener vier ältesten Töchter übten das Recht der Vi-
sitation aus.
Die Aufgabe dieser Visitationen war nicht blass, die
Beobachtung der positiven Vorschriften zu Wahren, son-
dern auch eine Gleichheit des Sinnes und der Sitten zu
erhalten. Die Verfassungsurkunde vom Jahre 1119 war,
wie ihre Urheber sie nannten , eine Urkunde der Liebe,
Charta caritatis , und die Brüderlichkeit forderte Ueberein-
Stimmung. Der erste Artikel setzte daher fest, dass alle