22
Historische
Einleitung.
niss gab den leicht erregbaren Gemüthern eine andere Rich-
tung,'welche sie mit derselben Energie verfolgten, wie ihr
bisheriges Treiben. Wie reich war das Leben an anzie-
henden Zügen und Ereignissen, wie viel Stoff bot es dem
aufmerksamen Beobachter? Schon aus Geschichtschreibern
und Dichtern können Wir auf diese bunte Vielgestaltigkeit
des Lebens schliessen; aber anschaulicher und zuverlässiger
wird sie uns in manchen bescheideneren Aufzeichnungen vor-
geführt, von denen ich vorzugsweise die schon wiederholt
von mir angeführten Dialoge des Cisterciensers Caesarius
von Heisterbach nennen will. Der Verfasser, Novizen-
meister des Klosters, beabsichtigt in diesem um 1220 ge-
schriebenen Buche nur die Belehrung der jüngeren Brüder
für ihren klösterlichen Beruf. Aber er belegt jeden Satz,
jede Distinction mit Beispielen und zwar nicht mit erfun-
denen oder aus dem Schatze der Legenden oder alter Ge-
schichten entnommenen, sondern mit selbst erfahrenen oder
ihm berichteten aus der jüngsten Vergangenheit, meist aus
seiner Nähe, aus den Städten und Klöstern des Rhein-
landes, von deutschen oder höchstens französischen Fürsten
und Grossen; er nennt gewöhnlich die handelnden Perso-
nen, er oder sein Gewährsmann hat sie selbst gekannt;
er versichert nur Wahres berichten zu wollen Dass
er dennoch auch bei dieser Beschränkung soviel Anziehen-
des, so viele bald romantische, bald lehrreiche, bald auch
komische Hergänge zu erzählen hat, ist ein Beweis theils
der Lebensfülle und 'l'hatkraft dieser Zeit, theils aber auch
der verbreiteten Neigung zum Erzählen, durch welche solche
i") Ich benutze diese Gelegenheit um auf die kleine und Wenig
bekannt gewordene Schrift von Alexander Kaufmann, Caesarius von
Heisterbach, ein Beitrag zur Culturgeschichte des 12. und 13. Jahrh.
Köln 1850, aufmerksam zu machen, welche mit Gelehrsamkeit und
poetischer Anschaulichkeit die interessantesten Resultate aus dem Buche
des Gaesarius zusammenstellt und ein Sittengemälde seiner Zeit giebt.