Volkscharakter.
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scher Obergewalt vom Kaiser belieben, hatte keine Dy-
nasten, keine freien Städte, nicht einmal freie Bauern zu
berücksichtigen. Seine erste Aufgabe war, das Land zu
besetzen, es gegen Einfälle und Aufstände der besiegten
Wenden zu sichern. Ueberall stiegen daher Burgen auf,
deren Befehlshaber und Besatzung statt des Soldes zu ihrem
Unterhalte mit den umherliegenden Ländereien belehnt wur-
den und diese durch die unterworfenen Wenden oder mit-
gebrachte deutsche Hörige bearbeiten liessen. In den Burgen
Waren die Kirchen der Umgegend, neben ihnen lagen die
Wohnungen der belehnten Burgmannschaft, sammelten sich
die Gewerbtreibenden, deren man bedurfte; sie wurden die
festen Punkte deutscher Civilisation im slavischen Lande,
die späteren Städte. Das ganze Land stand also unter
militärischer Disciplin, alle Verhältnisse waren gleichförmig
wie der flache Boden, auf dem sie entstanden; von jener
Mannigfaltigkeit verschiedener Berechtigungen, welche die
älteren deutschen Provinzen enthielten, war hier eben so
wenig eine Spur, wie von den Bergen, Welche jene oberen
Gegenden beleben. Diese eigenthümlichen Verhältnisse
gaben natürlich auch dem Charakter der Bewohner ein
bestimmtes Gepräge, eine knappe, militärische Haltung,
welche auf die Architektur um so mehr übergehen musste,
als sie ihre erste Schule an den Burgen und an befestigten
Kirchen machte, als selbst die Klöster, welche in diesen
Gegenden gegründet wurden, Befestigungen nicht entbehren
konnten. Ueberdies gehörten die meisten dieser Klöster
dem neugestifteten Cistercienserorden an, der auch hier in
gewohnter einfacher Weise baute und auf den einheimi-
schen Geschmack in dieser Richtung einwirkte b). Es
t) Nur in der Altmark bestanden Benediktinermönchsklöster; in
der Mark Brandenburg und iti der Lausitz waren dagegen 26 Cister-
cxenserklöster, während die anderen Klöster hauptsächlich den Augu-