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Historische
Einleitung.
Schaaren der Heiligen, Ludwig IX. von Frankreich. Der
sorgfältigste Beobachter aller kirchlichen Vorschriften, ein
Vorbild tiefer, demüthiger Frömmigkeit und christlicher
Tugend, strenge gegen sich selbst, nachsichtig gegen
Andere, zärtlicher Sohn und Gatte, treuer Freund, ist er
zugleich ein kräftiger Fürst und mannhafter Ritter, gerech-
ter, aber auch wenn es sein muss, strenger Richter seiner
Unterthanen, tapferer, wenn auch unglücklicher Streiter
gegen die Ungläubigen, ein gehorsamer Sohn der Kirche
und dennoch wieder unerschütterlich fest, wenn es gilt, die
Rechte seiner Krone und seines Landes gegen die An-
sprüche der Hierarchie zu vertreten.
Wenn in diesen grossen und edeln Gestalten die jugend-
liche Frische des Zeitalters allmälig mehr und mehr zu
männlicher Kraft erstarkt, so zeigt die Geschichte freilich
auch die Kehrseite dieses Bildes. An die Stelle der frü-
heren Rohheit ist jetzt eine fast raffinirte Bosheit getreten,
auch das Böse hat System und äussert sich mit einer fre-
chen Genialität. Das stärkste Beispiel finden wir auf ita-
lienischem Boden, in dem Tyrannen von Padua, dem be-
rüchtigten Ezzelin von Romano, dessen Klugheit und
Kühnheit mit seiner Ruchlosigkeit gleiches Maass hielt.
Aber alle Länder, besonders auch Deutschland, waren voll
von solchen kleinen Tyrannen, welche den ritterlichen Muth
nur in Räubereien und Gewaltthaten zeigten und sich dafiir
(lllfßh äussere Kirchenbussen mit dem Himmel abfinden zu
können glaubten Allein selbst diese gesteigerte Anmaas-
sung und Bosheit giebt einen Beweis für den idealen und
kräftigen Charakter dieser Epoche. Es war eben eine Zeit,
4'] Der schon erwähnte Cäsar von Heisterbach eifert gegen meh-
rere derselben, gegen Landgraf Ludwig den Eisernen von Hessen
(Dist. I. o. 27. 34. XII. 2], den Grafen Wilhelm von Jülich (XII. 5]
und Andere. Er nennt sie ausdrücklich Tyrannen.