Fortschreitende
Reife
der
Charaktere.
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und poetischen Elemente sind in das Leben eingedrungen,
und geben, verbunden mit der noch immer vorherrschenden
Jugendlichkeit, den 'l'haten den Ausdruck genialer Kühnheit
Eine hervorragende, charakteristische Gestalt dieser Zeit ist
Friedrich II., ein Fürst, von durchdachten Planen, das
Staatsleben schon in allen Beziehungen überblickend, ein-
sichtiger Gesetzgeber, für Wissenschaft und Kunst empfäng-
lich, dabei aber ein wahrer Ritter, die Welthändel wie
kühne Abenteuer durchkämpfend, prachtliebend, geistreich,
von Sängern umgeben, auf den Ruhm edler Sitte Anspruch
machend und selbst den eines Meisters in der nobeln Pas-
sion der Falkenjagd nicht verschmähend. Sein grosser
Gegner, Innocenz III., ist ihm, so viel es die Ver-
schiedenheit ihrer Stellung gestattet, ganz ebenbürtig, klug,
kühn und prachtliebend wie Friedrich, gelehrt, ein Meister
scholastischer Kunst und symbolischer Deutung, auf theo-
retischem Gebiete ebenso gross wie auf politischem, in sei-
nen Ansprüchen über das Maass des Richtigen und Aus-
führbaren hinausgehend, aber dennoch im Ganzen im guten
Glauben seines Rechts, nicht unzugänglich für Gegen-
gründe. Eine schönere Erscheinung auf geistlichem Ge-
biete ist fi'eilicl1 der Bürgerssohn von Assisi, der heilige
Franciscus, aber auch er ganz diesem Zeitalter angehörig
und charakteristisch für dasselbe. Seine Frömmigkeit, die
tiefste und innigste, hat sich dennoch von der Autorität
losgerissen, seine Opposition gegen den Reichthum der
Kirche athmet den demokratischen Geist des aufkommenden
Bürgerthums und wird mit ritterlicher Kühnheit durchge-
führt, und seine schwärmerische Liebe, obgleich der Ar-
mnth Christi als seiner Braut gewidmet, hat eine innere
Verwandtschaft mit der weltlichen Leidenschaft des Trou-
badours. Weniger genial, aber nicht weniger liebenswürdig
als dieser Apostel der Armuth ist sein Genosse in den