Sentimentalität
und
Härte.
17
lichkeit verschmähete und sich in künstlicher Steigerung
getiel. Der so oft wiederkehrende Irrthum, das Unge-
wöhnliche und Unnatürliche für vornehm zu halten, findet
sich schon jetzt.
Allein noch warenidie gesunden Elemente zu luäftig,
um dieser falschen Richtung tiefern Einfluss zu gestatten-
Es lag denn doch in dieser Weichlichkeit ein zu schroffer
Gegensatz gegen die Festigkeit und Beharrlichkeit der IrIei-
ligen und Kirchenfursten, gegen die ruhige , männliche
Kraft des germanischen Charakters, gegen den Ernst des
Kampfes, der noch fortgesetzt wurde, gegen die logische
Gründlichkeit, die aus den Hörsälen der Scholastiker mehr
inid mehr in das Leben überging. In der That bildete jene
Weiche Sentimentalität nur eine Seite der Entwickelung,
und neben ihr trat, besonders in der ersten Hälfte der
Epoche, in allen ernsten mid rechtlichen Beziehungen noch
eine grosse Schroffheit und selbst Härte hervor. Die
Extreme standen auf dem sittlichen Gebiete nahe neben
einander. Aber eben dadurch entstand eine grosse Mannig-
faltigkeit und allmälig, je mehr im Laufe der Zeit diese
beiden widerstrebenden Elemente verschmolzen, eine be-
wundernswürdige Kraft und Schönheit der hervorragenden
Charaktere. Diese Epoche gewährt uns daher auch in
dieser Beziehung ein Bild des Fortschrittes; wir können
es an den hervorragenden Gestalten der Geschichte beobach-
ten, wie die Charakterbildung allmälig zu grösserer Reife
gedeihet.
Schon am Anfange dieser Epoche finden wir bei den
weltlichen Leitern der politischen Verhältnisse nicht mehr
jenes unsichere Schwanken, wie früher, aber sie bleiben
sich denn doch noch selten treu und verfahren selbst bei
wohlbegriindeten Ansprüchen mit Härte und Gewaltsamkeit.
Dies zeigt sich besonders bei Britten und Franzosen; ihre
V. 2