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Rheinlande.
minder sorgfältig behandelt wurden. Aber sie hatten dabei
nicht wie die französischen Meister vorzugsweise die Con-
struction und Haltbarkeit, sondern mehr die malerische
Wirkung im Auge; sie verfolgten auch nicht den con-
structiven Gedanken mit strenger Consequenz und gemein-
samer Arbeit, ihre Neigmig war vielmehr wie die der
sächsischen Meister eine decorative, nur dass sie dieselbe
mehr im Ganzen und Aeusseren, als durch die Präcision
und Feinheit des plastischen Schmucks im Innern befrie-
digten. Diese Richtung war ebensosehr durch die bishe-
rige Baugeschichte als durch den Nationalcharakter dieser
Gegenden bedingt. Sie hatten nicht wie die franzäsischen
Meister ein durchaus Neues zu schaffen, sie hatten viel-
mehr eine architektonische Vergangenheit, an der sie mit
Vorliebe hingen, und mussten die in dieser gegebenen
Motive zuerst vollständiger entwickeln, ehe sie sich Neuem
zuwenden konnten. Der Gewölbebau, von dem sie aus-
gingen, gewährte keine Stellen, welche zu sorgfältiger,
plastischer Ausarbeitung geeignet waren; an den hochge-
legenen Kapitälen würde sie verschwendet, an der mit
mächtigen Pfeilern verbundenen Basis unpassend gewesen
sein. Die Rheinländer brauchten grosse, massenhafte Ge-
bäude, welche neben ihren Bergen an den Ufern des mäch-
tigen Stromes noch bedeutend erschienen; sie waren auf
eine Behandlung angewiesen, Welche auch in der Ferne
wirkte, sie suchten das Malerische in der Architektur und
hatten Weder Beruf noch Geduld zu der langsamen und
sauberen Ausarbeitung unscheinbarer Einzelheiten. Aber
sie waren doch zu sehr Deutsche, um ihre individuelle
Neigung und das Wohlgefallen an der Neuheit des Schmu-
ckes der Consequenz eines durch gemeinsames Streben zu
erlangenden Systems zu opfern. Aus allem diesem ent-
standen Gebäude, Welche nicht mehr romanisch Waren, aber