Michaelis
Zll
Hildesheim.
317
und Abgebrochene, das Dunkle und Schwere, sie unter-
hielt sich gern mit anmuthigen Räthseln, aber sie wollte
auch die Lösung sehen; sie bewegte sich gern in dem
Wagniss kühner, leicht geschwungener Linien, aber doch
nur im heiteren Spiele und im Gefühle der Sicherheit des
Gelingens. Dieser Richtung entsprach die maurische Kunst,
der abendländische und namentlich der deutsche Geist eig-
nete sich daher aus ihr das Verwandte an, übertrug es
auf die einheimischen Verhältnisse und schuf daraus ein
Ganzes, welches wie die ritterliche Romantik auf dem
ernsten Hintergründe christlicher Sitte anmuthige Kühnheit
und graziöscn Uebermuth entwickelt.
Ritter und Klerus waren zu sehr desselben Blutes, als
dass dieser Geschmack der weltlichen Bauten ohne Einfluss
auf die kirchliche Architektur bleiben konnte. Zuerst {in-
den wir ihn hier an den Nebengebäuden, in' Sälen und
Kreuzgängen, bald aber auch in den Kirchen selbst. Viel-
leicht geschah dies zuerst bei Restaurationen, WO die Mei-
ster an die vorgefundene Anlage gebunden waren und sich
für den Mangel feinerer Gliederung durch reiche Aus-
schmückung entschädigen wollten. Ein ausgezeichnetes
Beispiel dieses Verfahrens ist die Michaeliskirche zu
Hildesheim, wie sie nach einem im Jahre 1162 erfolgten
Brande bis zum Jahre 1184 wieder aufgebaut wurde. Die
Anordnung wurde, aus Rücksicht für den Stifter Bernward
oder weil einzelne Theile noch brauchbar waren, beibe-
halten; Pfeiler wechselten mit je zwei Säulen, und die
Bögen mussten daher die einfache ungebrochene Gestalt
behalten. Aber während die Wenigen älteren Säulen, die
man noch jetzt erkennt, den einfachen VVürfelknauf zeigen,
ist an den später hinzugefügten die Würfelform bald zu
kräftig ausladenden Blätterreihen, bald zu Verschlingungen
und Pflanzengewindeil entwickelt. Menschliche und thie-