306
Deutschland.
in der romanischen Architektur ungeachtet der erlittenen
Umgestaltung erhalten War, hatte für die Deutschen noch
einen höheren Werth. In Frankreich fiel der Beginn des
gothjschen Styls mit einer Vernachlässigung der klassischen
Literatur zusammen; wir kennen die Klagen, welche die
Anhänger derselben über den Verfall dieser Studien und
über die barbarische Latinität der Scholastiker führten. Die
ungeachtet ihrer
eine Aehnlichkeit
gothische Baukunst hat
thümlichkeit doch darin
höheren Eigen-
mit dieser Lati-
nität, dass sie aus antiken Formen hervorging, sie theil-
weise beibehielt, aber in einem ihrer ursprünglichen Be-
deutung entgegengesetzten Sinne behandelte. In Deutsch-
land wurden die klassischen Studien, wenn auch nicht mit
dem Eifer wie zur Ottonenzeit betrieben, doch nicht so
völlig vernachlässigt. Das Gefühl, dass die 'l'raditi0n der
römischen Welt ein nothwendiges Bildungselement, eine
nothwendige Ergänziulg der germanischen Natur sei, er-
hielt sich noch immer und hatte auch auf die Baukunst
einen, wenn auch unbewussten Einfluss. Die Vorliebe für
romanische Formen wurde endlich durch die Verbindung
Deutschlands mit Italien genährt. Ein Einfluss der italieni-
schen Kunst auf die deutsche fand allerdings in dieser
Epoche noch weniger statt als in der vorigen, jene War
vielmehr gerade jetzt augenscheinlich die empfangende.
Aber auch die Italiener waren ein ungemischtes Volk, sie
konnten sich noch weniger als die Deutschen mit den künst-
lichen Schlüssen der Scholastik, mit den conventionellen
Begriffen des Ritterthums befreunden; das südliche Klima
begünstigte einfachere Formen und Verhältnisse, die Ueber-
reste antiker Kunst standen noch vielfach über dem Boden
und gaben den Städten ihr Gepräge. Tausende von Deut-
schen, welche alljährlich im Kriegsheere oder im kirch-
lichen Berufe, durch Familienverbinduxlgen oder im kauf-