Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Entstehung und Ausbildung des gothischen Styls (Bd. 5 = [2], Bd. 3)

Historische 
Einleitung. 
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hinein, behandeln sie in einem höhern symbolischen Sinne. 
Französische Courtoisie erscheint zuweilen mit der Ueber- 
treibung des Copisten, aber im Ganzen zeigt der Minne- 
gesang eine höhere Innigkeit und Feinheit des Gefühls, 
und oft dient er dazu, ernsten und tiefsinnigen Betrach- 
tungen poetischen Ausdruck zu leihen. Diese tieferen Ge- 
danken und Gefühle konnten aber nicht in dem Grade Ge- 
meingut werden, wie jene äusserliche Aulfassmlg. Sie 
waren noch nicht durch das Element allgemeiner Bildung 
durchgegangen, trugen ein höchst individuelles Gepräge 
und erregten den Widerspruch. Es wurde dem Einzelnen 
Gewissenssaehe, seine iunerste Ueberzeugung nicht bloss 
nicht zu verleugnen, sondern möglichst genau und gründ- 
lich auszusprechen. Während daher Franzosen und Eng- 
länder gemeinsame Formen, gleiche Gedanken und Aeusse- 
rungen annahmeu, herrschte in Deutschland die grösste 
Mannigfaltigkeit. 
Diese Richtung des deutschen Wesens prägte sich denn 
auch in der Architektur aus. Auch in ihr fehlte es an 
einer centralen Gegend, welche die Erfahrungen der anderen 
sich aneignen und mit einander verschmelzen konnte. Auch 
hier herrschte der Individualismus und die Richtung auf 
das Einzelne; statt gemeinsamer, organisirender Bestrebun- 
gen, Welche zu einem durchgreifenden neuen Systeme ge- 
fuhrt hätten, sehen wir vielfache vereinzelte und auf das 
Einzehie gerichtete Versuche, die Wohl eine grosse Mannig- 
faltigkeit der Formen aber kein Ganzes hervorbringen 
konnten. 
Zu diesem Negativen kam noch ein positiver Umstand, 
eine grosse entschiedene Anhänglichkeit an die romanische 
Form, welche es verursachte, dass man sich ungern von 
ihr trennte, und auch da WO man Verbesserungen Raum 
gab, so viel wie möglich von ihr zu retten suchte. Man
	        
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