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Historische
Einleitung.
dacht sein musste, konnte sich den Anforderungen der
Ehre und des Ruhmes nicht so unbedingt hingeben, wie
der einfache Rittersmann, dessen ganze Habe in seinem
Ross, seinen Waffen und seinem Namen bestand. Dieser
hatte dadurch Gelegenheit, sich jenem gleichzustellen, ihn
an Ruhm zu übertreffen, und den Werth jener sittlichen
Anforderungen durch Wort und 'l'hat zu steigern.
Vor Allem äusserte sich die poetische Richtung des
Ritterthums in der gesteigerten Verehrung der Frauen und
in der idealen Auflassung der Liebe, die mit dem Anfange
dieser Epoche begann oder doch allgemeiner wurde. An
die Stelle der leidenschaftlichen Begierde, Welche in der
vorigen Epoche zum Frauenraube und zu anderen stürmi-
schen Ereignissen geführt hatte, trat jetzt eine Ansicht,
welche die Frauen wie höhere Wesen, die Liebe als un-
widerstehliche Macht, als höchste Blüthe und Zierde des
Lebens, als Würdigsten Gegenstand des Denkens und Dich-
tens betrachtete. Zwar übte diese Ansicht keinesweges
einen tiefen und bleibenden Einfluss auf die Gestaltung
fester sittlicher Verhältnisse; die Ehen wurden nach Wie
vor mehr nach äusseren Rücksichten, als nach den Be-
dürfnissen der Herzen geschlossen, sie wurden nicht un-
glücklicher, aber auch nicht inniger und reiner als zuvor.
Aber dies schwächte die Bedeutung der Liebe nicht, diente
vielmehr dazu, ihr einen Schein höherer Idealität zu ver-
leihen. Die ganze ritterliche Welt verhielt sich wie erregte
Jünglinge, für welche die Liebe an und für sich und ohne
Hinblick auf die Ehe einen Gegenstand der Begeisterung
bildet, deren Leidenschaft durch den Widerspruch, wel-
chen die Wirklichkeit ihr entgegensetzt, nur zur höchsten
Gluth gesteigert wird. Und diese Steigerung war für jetzt
noch wirkliche Wahrheit, kein Scheingefühl, nicht blosse
Courtoisie. Die tragischen Geschichten, welche seitdem so