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Rechtliche
Verhältnisse.
benslehren erlangt hatte, machte sie höchst geeignet, das
Chaos rechtlicher Ansprüche zu ordnen. Sie führte daher
wie in der Theologie, so im öffentlichen Leben das WVort,
und blieb auch den Spitzlindigkeiten ritterlicher Courtoisie
nicht fern, so dass auf der Oberfläche des Lebens, in
Kirche und Wissenschaft, in rechtlichen und staatlichen
Verhältnissen, in der Schule und in vornehmen Kreisen
der scharfe Ton scholastischer Dialektik herrschte.
Dies
abstracte
Element
erforderte
und
erhielt
dann
aber
sein Gegengewicht durch die Natürlichkeit der Sitte
durch die YVänne und Frische des Gefühls 7 Welche
und
sich
im Volke und bei den höheren Ständen, in religiöser Be-
ziehung wie in (ler Freude des Genusses geltend machte.
Das Leben war noch keinesweges milde und geebnet. Die
ritterliche Sitte musste manche Ilärten gestatten und war
jedenfalls ausser Stande, die rohen Gewohnheiten, Welche
seit Jahrhunderten bestanden, zu vertilgen, und die Aus-
brüche der Leidenschaft und Begierde zu bändigen. Selbst
in der höchsten Sphäre, an den Höfen der Könige, unter
Staatsmänner-n und Kirchenfiirsten, geht es noch oft her
wie in den Kreisen roherer Stände oder halbgebildeter Ju-
gend. Aus tuibetlachteil oder übermülhigen WVorten, aus
überschwänglichen Aeusserungen des Gefühls entstehen
Missverständnisse und Unschicklichkeiten, die sofort von
der andern Seite in gleicher VVeise erwiedert werden, und
bei dem allseitigen lllangel an Selbstbeherrschung und
Klarheit schnell zu aufgeregten Scenen, zum blutigen Streite
oder auch zu 'l'hränen und gewaltsamen AUSbPÜCIIQII Wär-
meren Gefühls führen.
Allein (iiese jugendlichen Schwächen wurden durch die
Vorzüge der Jugend aufgewogen. Die XVelt war mehr
als je begeisterungsfähig und von grossen Ideen bewegt;
die klcinlichen Rücksichten des bürgerlichen Lebens , die