Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Entstehung und Ausbildung des gothischen Styls (Bd. 5 = [2], Bd. 3)

Historische 
Einleitung. 
immer zahlreiehere Altäre; die Feste wurden vermehrt und 
mit grösserem Prunk gefeiert, die Dogmatik blieb nicht 
mein dieselbe, das Wunder musste der Gegenwart näher 
gebracht, die sühnende Kraft zugänglicher werden. _Die 
Lehre von der Transsubstantiation, die bei ihrer ersten 
Aufstellung im neunten Jahrhundert wenig Anklang ge- 
funden hatte, ging jetzt in das Volksbewusstsein über; die 
Scholastik gab ihr den Namen, ein lateranensisches Coneil 
unter Innocenz III. die kirchliche Bestätigung. Die Lehre 
vom Ablass, früher von den Theologen gemissbilligt oder 
beschränkt, wurde durch die grossen Scholastiker Albertus 
magnus und Thomas von Aquino geregelt und zum Sy- 
stem erhoben. 
Besonders aber wurde die Stellung der Hierarchie eine 
andere. Zunächst schien sie zu gewinnen. Indem die 
Nationen sich ausbildeteil und mächtige Königreiche ent- 
standen, war sie gegen das Uebergewicht der Kaiser mehr 
als bisher gesichert. Sie konnte als Vermittlerin und Rich- 
terin zwischen den gressen weltlichen Mächten auftreten, 
sie erlangte dadurch das Recht und gewissermassen die 
Pflicht, sich auch mit den Zeichen weltlicher Macht zu 
lungeben. Es war ihre glänzendste, aber freilich nicht 
mehr ihre grossartigste Zeit. Sie musste sich auf die 
Wirklichkeit, auf weltliche Händel und rechtliche Deductio- 
nen einlassen, konnte die Reinheit und Consequenz des 
lehrreichen und anziehenden Dialoge des Caesarius von Heisterbach (ed. 
Strange 1851). Der strenge Novizenlehrer nimmt keinen Anstand, sei- 
nem Schüler zu erzählen, wie die heilige Jungfrau (Dist. 7, cap. 38, 
V01. II, p. 49) für einen edeln Ritter, der, um die Messe zu hören, 
den Anfang des Turniers versäumt, in den Schranken aufgetreten sei, 
und in seiner Gestalt Siege erkämpft habe, wie sie ferner (daselbst 
cap. 34] die Stelle einer entlaufenenfNonne im Kloster vertreten, bis 
diese bussfertig zurückkehrt, wie sie endlich den von sündhafter Liebe 
entzündeten Ritter durch ihre Schönheit und durch ihren Kuss geheilt 
habe (daselbst cap. 32).
	        
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