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Belgien.
der mächtigen fünfschiffigen Liebfrauenkirche zu Brügge
(1230 1297). Auch noch in diesen Bauten kommt fast
durchweg die einfache Rilndsäule mit runder Basis tmd
achteckigem Kapitäl vor, nur in der Frauenkirche von
Tongern tinden sich und auch da nur vereinzelte kantoxiirte
Säulen. Der entwickelte Bündelpfeilcr fand keine Auf-
nahme, man begnügte sich damit, die Säule schlanker zu
bilden. Auch bleibt der Chor noch meistens ohne Kapel-
lenkranz; in der Kirche von Dinant an der Maas iuid in
St. Walburgis von Furnes hat er den einfachen Um-
gang, in den meisten Fällen ist er ohne solchen polygon-
förmig geschlossen. Die Fenster sind lancetförmig oder
doch mit einfachstem Maasswerk. Man begnügt sich noch
immer meistens mit einem Thurme, auf der Vierung des
Kreuzes oder vor der Facade. Sculptur ist nur sparsam
angebracht; die Kapitäle sind kahl oder mit einfachem
knospenartigen Blattwerk besetzt, der Schmuck der Strebe-
pfeiler und Fialen, Wo solche vorkommen, ist dürftig. Das
schöne Seitenportal an St. Servatius in Maestricht und
die Portale von Dinant und Huy sind Wohl die einzigen
Prachtthore, die schon in dieser Epoche mit Statuen ver-
ziert Wurden. Und so sehen Wir denn auch die plastische
Neigung noch Wenig entwickelt, gleich als ob diese Ge-
genden ihre künstlerische Kraft für die der Malerei gün-
stige Zeit bewahrt hätten.
Nur in einem einzigen Gebäude sehen Wir den gothi-
schen Styl im vollen Glanze seiner Schönheit, in dem
Chore der Kathedrale von Tournay, Welcher erst 1318
geweiht, aber ohne Zweifel schon etwa um 1'260 begonnen
wurde. Hohe und schlanke Bündelpfeiler mit rundem Kern,
deren Dienste in den Seitenschiffen während des Baues zu
grösserer Sicherheit der Zahl nach vermehrt Wurden, trennen
den Umgang von dem Mittelschiffe, das zu der bedeutenden