Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Entstehung und Ausbildung des gothischen Styls (Bd. 5 = [2], Bd. 3)

Historische 
Einleitung. 
der Schule, sondern wirkte auch vielfach auf das Leben 
ein, das religiöse Gefühl wurde inniger, hingebender und 
zugleich klarer. Eine Fülle von scheinbar einander Wider- 
sprechenden Kräften regte sich gleichzeitig, und das Ganze 
bildete dennoch, statt von ihnen gesprengt zu werden, 
einen wohlgeordneten Organismus mit allseitiger Wechsel- 
wirklmg seiner einzelnen Theile. 
Fragen wir nach den Ursachen imd der Richtung die- 
ser Bewegung, so ist zunächst zu bemerken, dass sie 
ganz auf dem Grunde fusste, der in der vorigen Epoche 
gelegt war, auf dem Begriffe eines christlichen Weltregi- 
ments, einer sichtbaren, mit dem Staate in Wechselwir- 
kung stehenden Kirche. Dieser Begriff war in der vorigen 
Epoche einseitig, aber auch so kräftig ausgeprägt, dass er 
für eine Reihe von Jahrhunderten als unerschütterliche Vor- 
aussetzung feststand. Aus ihm ging' nun, wie aus einem 
harten aber kräftigen und gesunden Stamme der reiche 
Schmuck von Aesten und Zweigen mit ihren Blättern und 
lieblichen Blüthen, die weitere Entwickelung hervor, und 
rasch, wie vom Hauche des Frühlings angeweht, stand 
der ganze Baum in der vollen Pracht seiner Erscheinung 
da. WVenn man betrachtet, in wie verhältnissmässig kur- 
zer Zeit diese Umgestaltung des öffentlichen und des indi- 
viduellen Lebens auf allen Gebieten vollbracht wurde, muss 
man über die Fülle von Begeisterung, Kraft und Ausdauer 
erstaunen, welche dieser Zeit verliehen war. 
Es war nicht etwa das fortreissende Beispiel einzelner 
grosser Männer, auch nicht gerade der Einfluss erschüt- 
ternder Ereignisse, was dieSeS WVunder bewirkte, es war 
das Reifen der inneren Kraft, das plötzlich auf allen Ge- 
bieten neue Erscheinungen hervortrieb. 
Allerdings hatten die Kreuzzüge und ihre Folgen, die 
nähere Bekanntschaft der abendländischen Völker mit der
	        
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