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Französische
Gothik.
gesehen habe, obgleich er in vielen Ländern gewesen.
Dass er die Form der Kapellen zu Bheims für den Chorbau
von Cambray benutzen Will, habe ich schon angeführt.
Viele Blätter sind der Plastik gewidmet, indem sie Blatt-
ornamente, phantastische Figuren, Tliierverschlingungen,
aber auch grössere Gestalten, Christus am Kreuz, die zwölf
Apostel, diese vielleicht sogar nach Miniaturen, eine der
„Dam0izielles", über Welche Salomons Urtheil erging, den
Stolz (Orgieuil), in Gestalt eines sehr lebendig gezeichne-
ten stützenden Reiters, und dergleichen mehr enthalten. Auch
das Vorbild der Antike ist nicht verschmäht; wir finden
ein Mal ein antikes Relief, welches er leider ohne Orts-
angabe als ein von ihm gesehenes Grab eines Sarazenen
bezeichnet, so dass er sich des heidnischen Ursprungs be-
wusst War. Auch eine andere Figur scheint nach einer
antiken Statue gemacht zu sein. Die meisten Zeichnungen
sind ohne Zweifel vorhandenen Kunstwerken entlehnt, sie
haben alle den strengen Styl, den wir an den Portalen von
Paris und Rheims wahrnehmen. Er stndirte aber auch
schon die Natur; eine nackte männliche Gestalt
förmliche Aktzeichnung, und bei einem Löwen,
mehrere Male von verschiedenen Seiten darstellt,
ist eine
den er
bemerkt
er ausdrücklich und mit starker Betonung, dass er nach
dem Leben gemacht sei (et saehiez bien, quil fut 0011-
trefaiist al vif). Diese Betonung beweist, dass das Natur-
studium (lanlals noch etwas [Fngewvöhnliches war, wo es
denn bei einem 'l'hie1'e, Welches die Meisten nur aus Ab-
bildungen kennen mochten, wohl der Erwähnung werth
war, dass man hier ein treues der Natur entlehntes Bild
habe. Die Anwendung der Geometrie auf die Zeichenkunst
besteht nur in sehr einfachen Hülfsmitteln, indem er die
Darstellung der natürlichen Form durch die Einfügung ein-
facher geometrischer Figuren, des Kreuzes in das mensch-