Stellung
der
Künstler.
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sie die Pracht desselben verschmäheten, beförderten seine
Verbreitung, indem ihre einfachen Bauten nicht bloss den
Spitzbogen, sondern überhaupt die constructiven Tendenzen
des neuen Styls frühzeitig in Gegenden brachten, wo er
noch unbekannt war. Aber wohl bewirkte er eine Eman-
cipation der Kunst als solcher, verlieh ihr Selbstbewusst-
sein uml eine bisher unbekannte Freiheit des Handelns.
Der romanische Styl war gewissermaassen ein Naturpro-
duct, von localen Vorbildern, klimatischen Bedingungen
und individuellen Zufälligkeiten abhängig gewesen. Jetzt
dagegen entstand ein Styl, der auf der herrschenden Sinnes-
weise des Zeitalters, zugleich aber auch auf statischen und
ästhetischen Principien beruhete und die Ueberzeugung
seiner allgemeinen Anwendbarkeit gewährte. Die Kunst
war als solche erstanden, sie war nicht mehr an die Scholle
gebunden, sie wurde die Aufgabe eines eigenen Standes,
dessen Jünger nach allen Seiten hin forschten und strebten,
ihr Gefühl übten und kräftigten, nach den geeigneten Mitteln
suchten. Zu diesen Mitteln gehörte vorzugsweise die besser
ausgebildete Zeichnung. Ohne Zweifel wird man auch in
der romanischen Epoche mehr oder weniger Plane und
Details gezeichnet haben; der Plan von St. Gallen aus dem
neunten Jahrhundert giebt den frühesten Beweis. Aber
sehr weit war man darin noch nicht gekommen, jedenfalls
diente die Zeichnung nur den gelehrten Leitern des Baues,
nicht den Werkleuten. Jetzt ging sie von diesen aus,
wurde das Mittel ihrer Belehrung und der Ausführung
selbst, verband Meister und Gesellen zur gemeinsamen
Arbeit. Grosse Planzeichnungen aus dieser Zeit sind zwar
äusserst selten de), die in den Bauhütten von Strassburg
i") Die einzige Ausnahme bildet die Zeichnung, welche in der
Bibliothek von Rheims und zwar als Palimpsest gefunden ist, indem
man sie zu einem etwa 1270 geschriebenen Necrologium benutzt hatte,