Nicaise
Rheims.
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beobachten, wie die Meister, auf den Schultern ihrer Vor-
gänger stehend, nicht nach völlig neuen, abweichenden
Ideen, sondern nach feinerer und edlerer Ausbildung des
bereits Gegebenen trachteten. Die Gedanken, Welche die
Faeade von N. D. von Paris schon im ersten Viertel des
Jahrhunderts angedeutet hatte, lagen auch den Zeichnungen
der späteren Meister zum Grunde; drei mächtig vertiefte,
reich ausgestattete und möglichst nahe an einander gerückte
Portale, die Verdeckung der Strebepfeiler an den unteren
Theilen, ihr Hervortreten und Abnehmen an den oberen,
die Aussehmückung der höheren Mauertläche durch Arcaden-
reihen und endlich das Rosenfenster, (lies ist das Thema,
dessen Ausführung allen diesen Meistern vorlag. Aber
während in Paris das Ganze noch schwer und massen-
haft, in viereckigen, kaum verminderten Abtheilungerl auf-
steigt, werden in Amiens und in Rheims die Details leich-
ter und freier, die Durchbrechungen der Mauermasse
grösser und häufiger, die pyramidalen Abstufungen besser
geregelt, und zahllose Details deuten in ihrer schnelleren
Zuspitzung den allgemeinen Aufschwung des Thurmbaues,
der hinter ihnen langsam und mächtig aufsteigt, im Voraus
an. In N. D. von Paris treten die Portale zwar schon bis
an die äusserste Linie der Strebepfeiler vor, aber sie bilden
hier eine zusammenhängende Mauerfläche, welche durch eine
Gallerie horizontal geschlossen ist. Schon in Amiens sind die
drei Portale als selbstständige V orhallen behandelt, welche
mit freien Spitzgiebeln in die Luft ragen und zwischen denen
sofort in ihren WÜnkeln die Strebepfeiler aufsteigen, um bald
auf durchbrochenen Tabernakeln die erste reiche Fiale zu
bilden. Die Gallerie ist höher hinaufgerückt in den zurück-
weichenden Theil der Thurmmauer verlegt, verdoppelt; die
Rose, die dort allzunahe über dem Portale steht und fast
darauf lastet, schwebt hier in luftiger Höhe. Aber erst