Die
Sainte-Chapelle
Zll
Paris.
135
möge der zwar niedrigen, aber zwölf Fuss breiten Fen-
ster, die sich zwischen den Strebepfeilern öffnen und deren
Licht durch die monolithen Säulen nur Wenig gehemmt ist,
eine sehr eigeuthünlliche und malerische Beleuchtung. WVäh-
rend hier ein ernster und schlichter Charakter vorherrscht,
entwickelt die Oberkirche die leichteste und reichste An-
muth. Sie ist einschiffig und unter dem Schlussstein 60
Fuss hoch , also etwa doppelt so hoch als breit. Die
Wände sind leichter gehalten, als in irgend einem früheren
Gebäude, sie bestehen ausschliesslieh aus den Bündelpfei-
lern von nur vier Fuss Breite, die, aus schlanken Säul-
ehen zusammengesetzt, 42 Fuss hoch aufsteigen, und zwi-
schen denen über einer blinden Arcatur von etwa 10 Fuss
Höhe die gewaltigen, mit dem reichsten Maasswerk ge-
schmückten Fenster (13 Fuss Breite bei fast 45 Fuss
Höhe] den ganzen Raum einnehmen. Hier ist also der
Gedanke, das Gebäude nur aus dem Gerüst schlanker,
senkrechter Stützen zu bilden, im vollsten Maasse und in
edelster und einfachster Weise ausgeführt. Vielleicht würde
man das Ganze schon zu luftig, das Verhältniss der schlan-
ken Wandpfeiler zu den breiten Gluswämlen der Fenster
schon übertrieben linden, wenn dieser Mangel nicht durch
die geschickte und zweckmässige Anwendung der Farbe
gehoben Würde. Das Licht der Fenster ist durch den
dunkelen Glanz ihrer Glasgemälde gemildert, der Stein durch
eine vollständige und geregelte Bemalung der einzelnen Säul-
chen, Kehlen und Gewölbkappeil, lmd durch Vergoldung
der Kapitale und der Rippen erhellt und belebt, das Ele-
ment der Farbe verbindet also die durchsichtigen und un-
durchsichtigen Thcile zu einem harmonischen Ganzen, und
giebt doch wieder jedem Theile sein eigenthümliches Recht,
indem sie die architektonische Gliederung nicht durch
gleichmässige Färbung verhüllt, sondern durch die Ver-