Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Entstehung und Ausbildung des gothischen Styls (Bd. 5 = [2], Bd. 3)

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Die 
Kathedralen 
VOIl 
Chartres, 
von Chartres beträgt schon 108, die in Rheims 115 bis 
120, in Amiens 132, in Beauvais 146 Fuss. Dies war 
dann freilich auch das Aeusserste; nach dem das Gewölbe 
hier, wie erwähnt, eingestürzt war, „proptei' artificii inso- 
lentiam", wie ein Chronist bei dem Einsturz des viel niedri- 
geren Gewölbes am Dome zu Lincoln sagt, hat man in 
Frankreich keinen Versuch gemacht, noch höher hinauf 
zu steigen. 
Die Wirkung der Höhe hängt aber nicht bloss von 
ihrem Maasse, sondern auch von ihrem Verhältnisse zur 
Breite des lllittelschifis ab; wollte man also den Eindruck 
des Schlanken geben, so durfte die Breite nicht in gleichem 
Maasse wachsen. Dennoch strebte man auch hier anfangs 
allzusehr ins Grosse. In St. Etienne in Caen ist das 
Mittelschilf nur 32' 6", in Ste. 'l'rinite gar nur 23' breit, 
wie erwähnt bei einer Höhe jene von 60, diese von 50 
Fuss; die Höhe enthielt daher ungefähr die doppelte Breite. 
Die Kathedrale von Laon hatte bei einer Breite von 36 
die Höhe von 83 Fuss, also ein Verhältniss von 21f3. In 
Chartres überbot man zwar diese Höhe, steigerte aber 
dennoch, da auch die Breite und zwar bis auf 45 Fuss 
anwuchs, das Verhältniss nicht bedeutend. In N. D. von 
Paris hatte dagegen die Höhe (106) schon fast das drei- 
sie durch möglichst niedrige Anlagen der einzelnen Theile zu vermin- 
dern. Allein er selbst muss zugestehen, dass man am Ende des drei- 
zehnten und im vierzehnten Jahrhundert diese Erhöhung absichtlich 
gesteigert habe, und schon dies würde darauf schliessen lassen, dass 
die Erlangung imposanter Höhenverhältnisse in der ursprünglichen Ten- 
denz der Schule lag, wenn man auch eine allzugrosse und gefährliche 
Höhe noch vermeiden zu müssen glaubte. Die im Texte enthaltenen 
Maassangaben zeigen aber auch, dass jenes bewusste und absichtliche 
Streben nach grösserer Höhe nicht erst am Ende des 13. JGIITlL, son- 
dern schon von 1212 an eintrat. Allerdings hat Violet-le-Duc indessen 
ganz Recht, wenn er denen Widerspricht, welche in diesem Streben 
nach kühnen und luftigen Verhältnissen eine bestimmte religiös sym- 
bolische Idee zu erkennen glauben.
	        
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