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Anfänge
des
gothischen
Styls.
reich verzierte Rosetten anbrachte, welche nicht füglich über
der scharfen Spitze eines Lancetbogens stehen konnten. Die
Anordnung der Faeade gleicht der des Doms zu Chartres,
sogar darin, dass sie über dem Mittelportale (dessen Aus-
führung einer späteren Zeit angehört] drei Lancetfenster
und darüber eine Rosette hat. Das Ganze des Gebäudes
ist sehr eigenthümlich, es hat fast ebensoviei mit dem
romanischen Style als mit dem gothischen gemein, es ver-
bindet das Volle, Kräftige, Reiche des ersten, mit dem
Aufstrebenden des Gothischen. Es giebt aber auch nicht
die nnbehagiichen, unharmonischeir und gespreizten Formen,
welche dieser Uebergang häufig hervorbringt, sondern ge-
währt den Eindruck eines zwar gesetzten und mässigen,
aber rüstigen, thatkräftigen und angeregten WVesens.
Neben diesen beiden Bauten ist auch die Klosterkirche
zu Orbais in der Champagne (1197-1201) zu erwähnen,
deren halbkreisförmiger Chor, von starken Rundsäulen mit
darauf stehenden Gewölbträgeru umstellt und von fünf
radianten Kapellen umschlossen, in seinen Details sehr an
St. Remy von Rheims erinnern soll
Dass diese Neuerungen nicht auf die Picardie und
Champagne beschränkt waren , ergiebt zunächst der Chor
von St. Germain des Pres in Paris, Welcher dem
älteren Schiffe nach der Mitte des zwölften Jahrhunderts
hinzugefügt und im Jahre 1163, also etwa gleichzeitig mit
dem Beginne der Arbeiten an St. Remy in Rheims, bereits
beendet war und geweiht wurde w). Auch hier die An-
1'] Bulletin monumental XVI. p. 123.
im) Die bei Felibien, Hist. de 1a viile de Paris, Pieces justifica-
tives pag. 64 abgedruckte Urkunde v. J. 1167, in welcher der Abt
Hugo den Hergang der durch den Papst Alexander III. ausgeführten
Weihe beschreibt, nennt die Kirche "novo schemate reparata, needum
consecrata", was beiläufig gesagt, auch darauf hindeutet, dass das Lang-
haus, welches der Abt Morard 1014 gebaut hatte, nicht unverändert