Gernrode.
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Stiftskirche zu Gernrode Markgraf Gero, ein mäch-
tiger Fürst, der zu den höchsten Erwartungen berechtigt
war, verlor durch den Tod des einzigen Sohnes die Hoff-
nung, der Gründer eines Herrscherhauses zu werden. Ihm
blieb nur eine Schwiegertochter und um dieser nach da-
maliger Sitte einen ehrenvollen Wittwensitz zu bereiten,
stiftete er im Jahre 961 dies Frauenkloster. S0 sehr lag
ihm diese Stiftung am Herzen, dass er noch in seinem
hohen Alter eine Reise nach Rom unternahm, um päpst-
liche Privilegien für sie zu erhalten. Es ist daher höchst
Wahrscheinlich, dass er, der kinderlose, mächtige, Weitge-
reiste Mann, diese Stiftung, das letzte fromme Werk sei-
nes Lebens, das Denkmal, welches er hinterliess, seine
künftige Grabstätte, auf's Reichste ausgestattet und mit
allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln ausgeschmückt ha-
ben wird, und dass seine Anlage der Kirche so dauerhaft
und ansehnlich war, dass sie einer gänzlichen Erneuerung
nicht bedurfte. Auch berechtigt der Styl des jetzigen Ge-
bäudes zu der Annahme, dass die Haupttheile desselben
aus der ersten Bauzeit, vielleicht also, wenn wir annehmen,
dass einige Decennien im Gebrauche einer ersten proviso-
rischen Kirche und bei der Begründung der äusseren Ver-
hältnisse des Klosters verflossen, aus dem Anfange des
elften Jahrhunderts herstammen. Wir sehen hier jenes ein-
heimische System noch im Entstehen, verbunden mit man-
chen fremdartigen Eigenthümlichkeiten und mit Formgc-
danken, welche das Gepräge des Versuchs und der Neu-
heit tragen. Das Mittelschiff ist wieder von wechselnden
Pfeilern und Säulen begrenzt, hat aber, abweichend von
Abbildungen und Beschreibung in Puttriclfs Denkmälen]
Abth. I, Band I, in dem die Anhaltischen Länder betreffenden Hefte,
Vgl. auch die kritischen Bemerkungen bei Rosenthal, Gesch. d. Bank
Th. III, S. 561.