Einfluss
des
Holzbaues.
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fast allen grossen Gebäuden dauerte zwar, auch jenseits
der Gränzen des Sachsenlandes, bis in eine spätere Zeit,
und hatte seine Ursache nicht im Material, sondern in der
fehlenden Uebung. Allein die lange Beibehaltung der Holz-
decken bis in eine Zeit hinein, WO die Wölbung am Rhein
und in anderen Gegenden schon gewöhnlich War, deutet
doch auf eine Vorliebe hin, die wiederum mit jenem Ur-
sprunge des Styls zusammenzuhängen scheint. Der Holz-
bau führt überall auf ein Vorherrschen des Geradiinigen
und Eekigen, das aber in verschiedener VVeise durchge-
führt werden kann. In England ging aus ihm, neben der
Beibehaltung der geraden Decke und einfacher Verhältnisse,
ein Styl hervor, der sich in dem Kontraste reicher und
bizarrer Ornamente gegen sehwerfällige, gedrückte Grund-
formen gefiel. In Deutschland dagegen tiihrte der schlichte
Sinn eines unvermischten Volksstammes auf anspruchslose,
milde Formen, und auf das Bestreben, ihnen durch Eu-
rhythmie und Anmuth Werth zu verleihen. Auch manche
Details dieses Styls scheinen ihren ersten Ursprung im
Holzbau zu haben. Dahin gehört das "Würfelkapitäl, das
recht eigentlich an das Absägen oder Abhauen eines Klotzes
erinnert e), und aus der Schwierigkeit, die Schwingungdes
korinthischen Kelches im Holze hervorzubringen, entstanden
sein mag, das aber auch durch seine eckige Form dem
Pfeiler entsprach, und daher bei der Verbindung von Pfei-
lern und Säulen sich auch ästhetisch empfahl; (lahin ferner
die Einkerbung der Pfeilerecken; endlich die flache Orna-
mentation an Wülsten und Kapitälen, welche mehr dem in
Gervasius von Canterbury in seinem unten ausführlich zu er-
wähnenden Berichte bei Vergleichung des neuen, im Jahre 1175 be-
gonnenen Baues des Domes seiner Stadt mit dem älteren hat ein ähn-
liches Gefühl und sagt, dass die früheren Kapitäle eher mit dem Beile,
als mit dem Meissel gearbeitet zu sein geschienen.