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Erste
Epoche.
Grunde gelegten schriftlichen Aeusserung den Schlüssel
giebt, völlig unverständlich, oft durch die auch hier ein-
wirkende Subjektivität des Bildners so entstellt ist, dass
wir sie auch dann nur unvollständig verstehen, die aber
freilich auch diesen Worten einen geheimnissvollen Reiz
verleihet, ein Zeugniss des frommen, gotterfüllten Geistes
der Zeit, und wenn wir den Gedanken ganz entdecken,
die Freude des Einblickes in ein kindliches Gemüth ge-
währt.
Alle diese Mängel und Eigcnthümiichkeiten der dama-
ligen Kunst wmden aber von den Zeitgenossen nicht wahr-
genommen; keine Aeusserung der Schriftsteller deutet darauf
hin. Die grosse Menge kannte natürlich nichts Anderes
und konnte nicht vergleichen, und den Gelehrten war auch
der Begriff der Kunst traditionel geworden, sie wendeten
die Phrasen, welche sie bei den antiken Autoren fanden,
auf die Werke ihrer Zeit an. Daher das ausschweifende
Lob, welches wir manchmal höchst schwachen Erzeug-
nissen gezollt finden; daher gelegentliche Aeusserungen,
die, Wenn sie nicht alten Schriftstellern entlehnt wären, ein
tieferes Verständniss Wahrer Kunst voraussetzen würden,
als in der That damals möglich War Man glaubte daher
i") So erklärt Johannes Scotus Erigena im neunten Jahrhundert
(De divina providentia, lib. ö, fo]. 275, bei Neander K. G. IV. 399)
die Zulassung des Bösen in der Welt durch Vergleichung derselben
mit einem Gemälde. Wie nämlich in einem solchen die einzelnen Ge-
genstände für sich keine Bedeutung hätten und als solche hässlich sein
könnten, ohne der Schönheit des Ganzen Eintrag zu thun, so ver-
schwinde auch die Bedeutung des Bösen für den, der das All betrachte.
(Omnia, quae in partibus universitatis male, inhonesta, turpia ab his,
qui simul omnia considerare non possunt, judieantur, in contempla-
tione universitatis veluti totius cujusdam picturae pulchri-
tudinis neque turpia neque inhonesta neque xnala sunt.) So spricht
Anselm von Canterbury von einem Maler, der aus der Ideenwelt
schöpfte: Aliud enirn est, rem esse in intellectu et aliud intelligere
rem esse. Nam cum pictor praecogitat imaginem quam facturus