Schlussbetrachtung.
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angedeutet, aber eben dadurch in der Ursprünglichkeit des
nach einem Ausdrucke ringenden Gefühls höchst anregend
und der weiteren Entwickelung fähig sind. Auch die Kunst
ist daher in diesem Simle prototypisch, sie ist von einem
ahnendeu Geiste durchweht, der jeden mächtig ergreift,
der seine Sprache zu verstehen gelernt hat. Sie hat frei-
lich nicht eine klassische Schönheit, nicht die organische
Durchbildung, Welche in jedem Gliede seine eigenthürnliche
Bedeutung und den Geist des Ganzen auszudrücken weiss,
aber sie besitzt die Elemente des Schönen, den auf der
ehrfurehtsvollen Anschauung höherer Kraft beruhenden Cha-
rakter der Erhabenheit und die Anmuth des unbefangenen
Gefühls, in ungewöhnlich reichem Maasse. Sie gewährt
daher eine Fundgrube für spätere Kunst. Der gothische
Styl hat seine charakteristischen Züge grossentheils aus
ihr entnommen, die Renaissance findet ihre Vorgänger im
südlichen Frankreich, und wenn es unsere oder einer fol-
genden Zeit vergönnt sein sollte, ein neues Bausystem zu
schaffen, würde es auf Formverbindungen beruhen, die
auch in romanischen Bauten schon vorgekommen waren.
Dies ahnende, vordeutende Element und jene naturwüchsige
Fülle individuellen Lebens bilden vereint den Vorzug der
architektonischen Kunst dieser Epoche und geben ihr einen
Reiz, der jeden, der sich mit ihr beschäftigt, bleibend anzieht.
Druck von G.
Büdeker in Essen.