Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das eigentliche Mittelalter (Bd. 4 = [2], Bd. 2, Abth. 2)

592 
Schlussbetrachtung. 
Das 
individuelle 
Element 
erscheint 
ihnen 
leicht 
entweder 
gespreizt und in hochmüthiger Absichtlichkeit, oder unbe- 
deutend. Allerdings sind nun freilich die Künstler unserer 
jetzigen Epoche oft roher , in ihren Intentionen und Em- 
plindungen unklarer, aber dieser Mangel wird durch ihre 
Unbefangenheit, Anspruchslosigkeit und Selbstlosigkeit auf- 
gewogen. Sie beabsichtigen ilicht ihre Eigenthümliehkeit 
geltend zu machen, die Wärme ihres eigenen Gefühls 
mischt sich nur unbewusst hinein, indem sie nach dem 
stärksten und besten Ausdrucke für die allgemeinen Ge- 
fühle suchen. 
l-liedurch tritt dann dieses individuelle Element in enge 
Verbindung mit dem Religiösen und erlangt dadurch eine 
tiefere Bedeutung. Die Religiosität dieses Zeitalters ist 
zwar ungenügend, indessen giebt sie die Grundzüge christ- 
lichen Verhaltens in bestimmtester Auflassung, sinnlich 
zwar und abstract, aber gerade dadurch höchst anschaulich 
und gewissermaassen prototypisch für weitere religiöse 
Entwickelung. Und den Grundlagen dieser Religiosität 
entsprechen auch die Elemente der Kunst, die altchristlich 
antike Form, als das allgemeine, gegebene, in sich abge- 
schlossene Gesetz und als Repräsentantin der Offenbarung, 
und die naive Aeusserung des Gefühls als kindliches und 
freudiges Ergreifen des angebotenen Gutes. Die meisten 
Mängel dieser Religiosität, welche auf den anderen geisti- 
gen und sittlichen Gebieten auffallend und verletzend her- 
vortreten, fallen in der Architektur fort, Während gerade 
die sinnlich abstracte Religiosität ein der Baukunst ver- 
wandtes Element enthält. Jene Mannigfaltigkeit individueller 
Formen variirt daher nur das religiöse Gefühl in seiner 
Anwendung auf Kunst und Natur und giebt einen Reich- 
thum von Motiven christlicher Kunst, den keine andere 
Zeit aufzeigen kann, von Motiven, die vielleicht nur dunkel
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.