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Schlussbetrachtung.
Das
individuelle
Element
erscheint
ihnen
leicht
entweder
gespreizt und in hochmüthiger Absichtlichkeit, oder unbe-
deutend. Allerdings sind nun freilich die Künstler unserer
jetzigen Epoche oft roher , in ihren Intentionen und Em-
plindungen unklarer, aber dieser Mangel wird durch ihre
Unbefangenheit, Anspruchslosigkeit und Selbstlosigkeit auf-
gewogen. Sie beabsichtigen ilicht ihre Eigenthümliehkeit
geltend zu machen, die Wärme ihres eigenen Gefühls
mischt sich nur unbewusst hinein, indem sie nach dem
stärksten und besten Ausdrucke für die allgemeinen Ge-
fühle suchen.
l-liedurch tritt dann dieses individuelle Element in enge
Verbindung mit dem Religiösen und erlangt dadurch eine
tiefere Bedeutung. Die Religiosität dieses Zeitalters ist
zwar ungenügend, indessen giebt sie die Grundzüge christ-
lichen Verhaltens in bestimmtester Auflassung, sinnlich
zwar und abstract, aber gerade dadurch höchst anschaulich
und gewissermaassen prototypisch für weitere religiöse
Entwickelung. Und den Grundlagen dieser Religiosität
entsprechen auch die Elemente der Kunst, die altchristlich
antike Form, als das allgemeine, gegebene, in sich abge-
schlossene Gesetz und als Repräsentantin der Offenbarung,
und die naive Aeusserung des Gefühls als kindliches und
freudiges Ergreifen des angebotenen Gutes. Die meisten
Mängel dieser Religiosität, welche auf den anderen geisti-
gen und sittlichen Gebieten auffallend und verletzend her-
vortreten, fallen in der Architektur fort, Während gerade
die sinnlich abstracte Religiosität ein der Baukunst ver-
wandtes Element enthält. Jene Mannigfaltigkeit individueller
Formen variirt daher nur das religiöse Gefühl in seiner
Anwendung auf Kunst und Natur und giebt einen Reich-
thum von Motiven christlicher Kunst, den keine andere
Zeit aufzeigen kann, von Motiven, die vielleicht nur dunkel