Die
Zwecke
der
Kunst.
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allerdings auch zu Nutzanwenduirgen gebraucht werden,
aber ein solcher Gebrauch ist ihrem Wesen feindlich, zer-
stört gerade die innere Freiheit ihrer Eiltfaltung. Und doch
brachte es die Noth der Tage und die lehrhafte Stellung
der Geistlichen mit sich, dass sie nach unmittelbaren Wir-
kungen strebten. Sie mussten gewissermaasseil ihre Kunst-
übnng dadurch rechtfertigen, dass sie sie als nützlich be-
trachteten. Das konnte in mehrfacher Weise geschehen.
Der allgemeinste, künstlerischer Auffassung nächste Zweck
war der unbestimmtere, durch ernste, strenge Haltung und
VVürde die Beschauer feierlich zu stimmen, rohe, sinnliche
Gefühle aus ihrer Brust zu verdrängen, sie zur 'l'heilnahme
am Kirchendienste vorzubereiten. Dieser Zweck war ohne
Zweifel auch der vorherrschende, aus ihm gingen die höch-
sten Leistungen der Zeit hervor , die meisten Kunstwerke
verrathen ihn. Sie dienen nur der Architektur, verstärken
die Stimmung, welche diese hervorbringen sollte. Dies
wird indessen nirgends von den gleichzeitigen Schriftstellern
ausgesprochen; es verstand sich für feinere Gemüther von
selbst, lag aber nicht in den) bewussten Zwecke der Zeit.
Daher genügte es auch der grossen Zahl gemeiner Prak-
tiker unter den Geistlichen noch nicht, sie wollten noch eine
andere, handgreifiichere Nützlichkeit. Ihnen musste es wich-
tig scheinen, die rohe, stumpfe Masse zu bewegen, den
Mängeln abzuhelfen, mit denen der Beichtvater und der
Lehrer täglich zu kämpfen hatte. Daher finden wir es denn
häufig ausgesprochen, dass das Bild auf die Unwissen-
den wirken, die Schrift bei denjenigen, die sie nicht lesen
konnten, ersetzen, ihnen die heiligen Hergänge versinnlichen
solle. Dieser Zweck War bei einem rohen, aber gläubigen
Volke leicht erreicht, und es wird oft gerühmt, dass die
Einfältigeil, welche dem Worte und der Ermahnung unzu-
gänglich gewesen Waren, durch die Bilder tief, zu Thrä-