Schlussbetrachtung.
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in der Architektur kein irgend erheblicher Einfluss von
Byzanz her statt, weil diese Kunst die ersterwachende und
an einheimische Verhältnisse geknüpfte ist, während die
anderen Künste in ihrer Verfrühung dieser Stufe bedurften.
In der That ist also dieser Einfluss eine sehr merkwürdige,
bedeutsame Erscheinung, hinter welcher man aber nicht,
wie es oft geschehen ist, ein speeilisches kirchliches Ge-
heimniss zu suchen hat, sondern die uns nur die schon
sonst bekannte Eigenthümlichkeit der mittelalterlichen Kunst
und des ganzen mittelalterlichen Wesens recht deutlich
offenbart, Wonach beide nicht ein freies Naturproduct sind
wie bei den vorchristlichen Völkern, sondern eine Wieder-
geburt vorangegangener Zustände und Richtungen.
Schlussbetrachtung.
Indem ich hiemit die Geschichte dieser Epoche schliesse,
scheint es mir nöthig, noch einmal auf die in ihr vorherr-
schende Kunst, auf die Architektur, zurück zu bücken, um
uns ihrer ganzen Bedeutung bewusst zu werden.
Das erste, was dabei inis Auge fällt, ist die Mannig-
faltigkeit der Erscheinungen. Welchen Reichthum ver-
schiedenartiger Formen zeigen schon die französischen Bau-
schulen, wie gering sind in ihnen auch nur die Spuren
nationaler Verwandtschaft. Auf deutschem Boden finden
wir zwar nicht so gewaltige Abweichungen, aber dennoch
bilden auch hier die sächsischen Basiliken mit der geraden
Balkendecke und in ihrer schlichten Anmuth einen starken
Gegensatz gegen den grossartigen Ernst der gewölbten
Dome des Mittelrheins. Dazu kommt dann der englisch-
normannische Styl mit seinen schweren, auf dem Festlande