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Byzantinische
Anklänge.
tiken Kunst entstandenen Werken fast gänzlich fehlte, da
man hier zwischen Römischem und Byzantinischem nicht
unterschied und die geringen Ueberreste antiken Sinnes,
die in beiden übrig waren, für gleichbedeutend hielt, so
ist es begreiflich, dass man die Vorbilder, deren man hab-
haft werden konnte, ohne sorgfältige Kritik ilachahmte. Dies
konnten aber, da Italien in diesem Jahrhundert fast nichts
producirte, nur byzantinische Arbeiten kleinerer Art sein,
die man daher als die Ueberliefemng des Richtigen betrach-
tete und benutzte. Hiedurch erklärt es sich auch, dass die
mannigfachen und zum 'l'heil ziemlich ausführlichen Be-
richte der Chronisten über die künstlerische Wirksamkeit
der Bischöfe und Achte oder über die Einrichtung der
Klosterschulen niemals der byzantinischen Hülfsmittel ge-
denken; man sah in ihnen nichts Abweichendes von der
sonstigen 'l'endenz aller Studien. Dazu kam dann aber
noch ein anderer bestimmender Umstand. Die vorherr-
schende Richtung dieser klösterlichen Civilisation ging da-
hin, Ordnung und Regel an die Stelle der Verwilderung
und Gedankenlosigkeit zu bringen. Diese Eigenschaften
fand man nun in den byzantinischen Arbeiten in abstracter
und erstarrter, aber eben deshalb leicht zu erkennender
und nachzuahmender Weise, verbunden mit einer elegan-
ten, sauberen Technik. Selbst die Schwächen dieser Ar-
beiten, der leichenhafte Farbenton, die steif geordnete Ge-
wandung, der Ausdruck der Unfreiheit, hatten für die Leh-
rer der Klosterschulen nichts Abstossendes. Die Völker
waren zwar höchst verschieden; das von Byzanz in orien-
talischer Knechtschaft erschlafft, in jeder Beziehung ver-
fallen, die abendländischen Nationen roh, aber kräftig und
freiheitsliebend. Aber die Völker machten die Kunst noch
nicht, sie war im Abendlande wie im griechischen Reiche
ganz in den Händen der Klostergeistliehen, und diesen war