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Byzantinischer
Einfluss
auf
abendländ.
Kunst
Zunächst wird man sich dabei vergegenwärtigen müs-
sen, in wie Weit der Verkehr, der, überhaupt und abge-
sehen von der Kunst, zwischen dem byzantinischen Reiche
und dem Abendlande statt fand, uns berechtigt oder ilöthigt,
einen künstlerischen Einfiuss anzunehmen. Die bleibende
Anerkennung und Nachahmung einer ausländischen Kunst
findet sich immer nur da, wo man dem Volke, dem sie
angehört, auch sonst eine geistige Ueberlegenheit zugestellt.
Die Griechen des Alterthnms waren den Römern, die Ita-
liener und Franzosen des sechszehnten und achtzehnten Jahr-
hunderts den anderen abendländischen Nationen nicht bloss
in der Kunst, sondern zugleich auch in der Literatur, in
Sitten und Gebräuchen Vorbilder. Jedenfalls aber setzt
eine solche Aufnahme des Fremden einen lebendigen inter-
nationalen Verkehr voraus. Der des Abendlandes mit dem
byzantinischen Reiche war stets ein sehr schwacher. Im
Anfange des Mittelalters suchten allerdings die germani-
schen Fürsten etwas von dem Nimbus, mit Welchem der
Name des römischen Kaiserthums in der Vorstellung der
Völker noch immer umgeben War, auf sich zu übertragen.
Sie glaubten dies durch die Verbindung mit dem byzanti-
nischen Kaiser, als dem Erben des Imperatorentitels zu er-
langen, und die griechischen Autokratoren begünstigten
diese Neigung, um mit diesen kräftigen Barbaren in gutem
Vernehmen zu bleiben und sie in einer scheinbaren Ab-
hängigkeit zu erhalten. Daher kam es, dass gothische
und fränkische Könige den Patriciertitel ilachsuchten und
ihrem Namen beisetzten, dass man von beiden Seiten Ge-
sandtschaften ausrüstete und empfing und Geschenke aus-
tauschte. Karl der Grosse und dann wieder die Ottonen
mit den Töchtern des Kaiser-
Allein alle diese Bemühungen
Geist der Nationen stand ent-
hielten sogar "Vermählungen
hauses für wünschenswerth.
hatten geringen Erfolg; der